Adam und Evelyn

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Adam und Evelyn sind ein ostdeutsches Paar, das im Spätsommer 1989 unerwartet mit der Wende konfrontiert wird. Während Evelyn Hoffnung und Zuversicht spürt, sieht Adam einem Neustart im Westen mit wenig Begeisterung entgegen. Andreas Goldstein legt mit seiner Romanverfilmung „Adam und Evelyn“ eine vielschichtige und reduziert inszenierte Tragikomödie vor, die ganz von den widersprüchlichen Gefühlen ihrer Figuren lebt und daraus die meiste Spannung bezieht. Es geht um eine Generation im Ausnahmezustand, hin- und hergerissen zwischen Entschlossenheit und Verlust, zwischen West und Ost.

Webseite: www.neuevisionen.de

Deutschland 2018
Regie: Andreas Goldstein
Drehbuch: Andreas Goldstein, Jakobine Motz
Darsteller: Florian Teichtmeister, Anne Kanis, Christin Alexandrow, Milian Zerzawy, Lena Lauzemis
Länge: 95 Minuten
Kinostart: 10. Januar 2019
Verleih: Neue Visionen

FILMKRITIK:

1989: Es ist ein extrem heißer Sommer in der DDR, weshalb Adam (Florian Teichtmeister) und Evelyn (Anne Kanis) an den ungarischen Plattensee fahren wollen. Adam arbeitet als Schneider für Damenmode und hat deshalb immer wieder engen Kontakt zu Frauen. Ein solcher Kontakt wird Adam kurz vor der geplanten Reise zum Verhängnis, als Eveyln ihn in eindeutiger Pose mit einer anderen erwischt. Evelyn ist so verärgert, dass sie stattdessen mit ihrer Freundin Mone (Christin Alexandrow) nach Ungarn fährt. Adam fährt in seinem himmelblauen Wartburg kurzerhand hinterher und nimmt unterwegs Katja (Lena Lauzemis) mit, die in den Westen fliehen will. Wenig später treffen sie alle in Ungarn aufeinander. Das (Gefühls-) Chaos ist perfekt, als die Grenzen nach Österreich bald darauf geöffnet werden und jeder für sich überlegen muss, wie er weiterleben will.

„Adam und Evelyn“ beruht auf dem von Ingo Schulze verfassten gleichnamigen Roman, der dem ostdeutschen Schriftsteller 2008 eine Nominierung für den Deutschen Buchpreis einbrachte. Inszeniert wurde „Adam und Evelyn“ von Andreas Goldstein, der selbst aus der DDR stammt und an der Babelsberger Hochschule für Film und Fernsehen ausgebildet wurde. Es handelt sich um Goldsteins ersten Kinospielfilm, nachdem er zuvor Kurzfilme und Dokumentationen realisierte.

Goldstein legt „Adam und Eveyln“ als melancholisches Wendedrama an, das von den gegensätzlichen Emotionen und Wünschen seiner komplexen Protagonisten lebt. Da ist Adam, der es in der DDR zu einem erfolgreichen Modemacher und Fotograf gebracht hat und am liebsten alles beim Alten belassen möchte. Auf der anderen Seite Evelyn, die mit der Übersiedelung in den Westen endlich ihre Chance gekommen sieht, sich selbst zu verwirklichen. Im Osten absolvierte sie eine Ausbildung als Gastronomin und hielt sich mit (schlecht bezahlten) Jobs über Wasser. Im Westen möchte sie an die Uni und Kunstgeschichte studieren.

Diese ambivalenten Ziele und Anschauungen sind es, die zwischen den beiden Hauptfiguren immer wieder zu Diskrepanzen führen – schwer zu überwindende Reibungspunkte, die sich durch den gesamten Film ziehen und zu weiten Teilen für die schwermütige Stimmung verantwortlich sind. Zudem stehen Adam und Evelyn damit auch stellvertretend für jene Hoffnungen, Ängste und nicht zuletzt Fragen, die mit der Öffnung der Grenze bei vielen Ostdeutschen aufkamen: Soll man den Neustart in einem „fremden Land“ wagen? Was bringt die Zukunft in diesem neuen politischen System? Ungewissheit trifft auf Aufbruchsstimmung: So waren die Befindlichkeiten vieler Menschen damals im Sommer 1989 und Goldstein fängt diese Zwiespältigkeit gekonnt ein.

Hier lohnt es sich, bei den Dialogen genau hinzuhören. „Adam und Evelyn“ ist zwar alles andere als ein wort- bzw. dialogreicher Film, dennoch lassen sich aus den (oft subtil eingestreuten) Äußerungen bereits die innerlichen Befindlichkeiten  der Hauptfiguren ableiten. Einmal lässt Adam am Esstisch zum Beispiel beiläufig die Bemerkung „Ist es nicht egal, wo man lebt?“ fallen. Auf die Frage von einem West-Beamten, wie lange sie die DDR schon verlassen wollte, antwortet hingegen Evelyn im letzten Drittel des Films selbstbewusst und entschlossen: „Schon immer.“

Bei seiner Inszenierung und der Dramaturgie geht Goldstein minimalistisch vor. Die Handlung ist recht simpel, überraschende Wendungen bleiben weitestgehend aus und auch auf allzu emotionalisierende Musik verzichtet er. Stattdessen bedient er sich oft eines lakonischen, leisen Humors, der ganz wunderbar zu Gesamtatmosphäre passt – versuchen die Charaktere mit ihrer Einsilbigkeit und den zynischen Aussagen doch zumeist, ihre innere Zerrissenheit zu kaschieren.

Björn Schneider