Die letzten Männer von Aleppo

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Zu erheblichem medialen Ruhm sind die so genannten Weißen Helme gekommen, eine Gruppe von Männern, die es sich im kriegszerstörten Syrien zur Aufgabe gemacht haben, ihre Mitbürger aus den Trümmern der Ruinen zu retten. Ihnen setzt auch das Regie-Duo Feras Fayyad und Steen Johannessen mit seiner stark gefilmten, schwer zu ertragenden Dokumentation „Die letzten Männer von Aleppo“ ein Denkmal.

Webseite: www.riseandshine-berlin.de/aleppo

Dokumentation
Dänemark/ Syrien/ Deutschland 2017
Regie: Feras Fayyad
Ko-Regie: Steen Johannessen
Länge: 104 Minuten
Verleih: Rise and Shine Cinema
Kinostart: 16. März 2017

PRESSESTIMMEN:

"Wer wissen will, wovor die Menschen aus Syrien fliehen, sollte sich diesen Film ansehen. Beim Sundance Festival bekam er dieses Jahr den Großen Preis der Jury."
Süddeutsche Zeitung

FILMKRITIK:

Seit Jahren tobt der Bürgerkrieg in Syrien, mit zehntausenden Toten und Millionen Vertriebenen. Die nordsyrische Stadt Aleppo ist dabei zum Synonym für die Zerstörung geworden, zu einem Mahnmal für die Zerstörung, den Krieg des Assad-Regimes gegen das eigene Volk, die Vernichtung von Menschenleben und Kulturschätzen, aber auch für den Widerstand. Ein Aspekt der Rebellion sind die so genannten Weißen Helme, die den Himmel beobachten, nach Bombern Ausschau halten und losstürmen, sobald irgendwo in der ohnehin stark zerstörten Stadt, eine weitere Bombe eingeschlagen ist. Unter Einsatz ihres Lebens, oft mit bloßen Händen, versuchen sie in den Trümmern nach Überlebenden zu suchen oder zumindest die Toten, oft auch nur einzelne Körperteile zu bergen, um zumindest ein den arabischen Riten folgendes Begräbnis zu ermöglichen.
 
Zwei dieser Weißhelme stehen in der Dokumentation des dänisch-syrischen Regie-Duos Feras Fayyad und Steen Johannessen im Mittelpunkt: Khaled und Mahmoud, wobei besonders ersterer durch die medienwirksame Rettung eines kleinen Jungen zu einem kleinen You Tube-Star geworden ist. Der schon enorme Bekanntheitsgrad der Weißen Helme ist auch das größte Problem von „Die letzten Männer von Aleppo“, gerade weil sie auf Seiten der Rebellen kämpfen, sich also gegen das Assad-Regime und seinen im Westen grundsätzlich kritisch bewerteten Unterstützer Russland stellen, sind die Weißen Helme beliebte Subjekte von Kriegsreportagen. Eine davon, der 40minütige „The White Helmets“ ist aktuell für den Oscar nominiert, während George Clooney plant, die Geschichte der Retter in einem Spielfilm zu verarbeiten.
 
Hat man die Ereignisse in Syrien in den letzten Jahren also auch nur beiläufig verfolgt, müssen die hier gezeigten Bilder erschreckend bekannt vorkommen: Zerstörte Häuserreihen, Leben in Gebäuden, die aus kaum mehr als Grundmauern bestehen, vorsichtiges Huschen über die Straßen, um nicht von einem Scharfschützen getroffen zu werden, dazwischen Momente scheinbarer Normalität, die gerade im Kontrast zu den Grauen des Krieges besonders surreal wirken. Was die von Fayyad, Johannessen und ihren diversen Kameramännern im Laufe eines Jahres eingefangenen Bilder in erster Linie auszeichnet, ist ihre große filmische Qualität. Keine verwackelten Handkameraaufnahmen haben sie zusammengetragen, sondern meist hervorragend kadrierte Breitwandbilder, die das kaum mögliche Leben in Aleppo in eindringlichen Bildern zeigen.
 
Eine differenzierte Schilderung der politischen Situation, gerade auch der verfahrenen Loyalitäten, der unterschiedlichen staatlichen und nichtstaatlichen Akteure, die auf unterschiedliche Weise Einfluss auf den syrischen Konflikt haben, ist diese Dokumentation allerdings nicht. Auch dank der düsteren, von Moll Akkorden geprägten Musik ist „Die letzten Männer von Aleppo“ ein Heldengesang auf fraglos heroische Männer, die unermüdlich ihrer selbst gestellten Aufgabe nachgehen. Im Fall von Khaled gar bis in den Tod: Gegen Ende der Dreharbeiten kam der Retter selbst ums Leben, ein erschreckend bezeichnendes Ende einer Dokumentation, die an der Situation in Syrien nichts ändern wird, aber Teil der notwendigen Sichtbarmachung eines Konflikts ist, dessen Auswirkungen auch in Deutschland spürbar sind.
 
Michael Meyns