Generation Wealth

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Aus ihren Begegnungen mit den Schönen und Reichen entwirft die Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield ein Bild der USA, das von unstillbarer Gier bestimmt ist. Das ist unterhaltsam anzuschauen und oft ganz erstaunlich. Dabei verknüpft Lauren Greenfield die Entstehungsgeschichte ihres Films mit ihrem eigenen Lebensentwurf. In der Selbstbeschau wird ihre Weltsicht zum erstrebenswerten Ideal, während der Turbokapitalismus irgendwie als Auswuchs mangelnden Familiensinns und fehlender Zuwendung erscheint - eine sehr schlichte Interpretation weltweiter Entwicklungen. Dennoch ist die Dokumentation sehenswert, denn dreijährige Schönheitsköniginnen und Stretchlimos mit eigenem Hubschrauberlandeplatz bieten unzweifelhaft einen gewissen dekadenten Charme.

Webseite: jip-film.de/generation-wealth/

Dokumentarfilm
USA 2018
Regie und Buch: Lauren Greenfield
106 Minuten
OmU
Verleih: jip film und verleih
Kinostart: 31. Januar 2019

FILMKRITIK:

Der Film beginnt mit collagenartigen Clips, in denen sich Bilder von ausuferndem Luxus und erschütternder Dekadenz abwechseln: Chinesinnen lernen, die Namen von Luxusmarken auszusprechen, ein winzigkleines Mädchen tanzt in einem Showgirl-Kostüm, ein Zigarre rauchender Mann gibt zu, dass er verrückt nach Geld ist … Parallelen zum alten Rom ergeben sich da beinahe wie von selbst. Und war es nicht wirklich so, dass jede Zivilisation kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch von extremem Wohlstand geprägt war?

Nach dem temporeichen Start, der mit seinen originellen Bildern Appetit auf mehr macht, wird es dann schnell ruhiger, und die Dokumentation begibt sich zurück in die brave Bürgerlichkeit. Die Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield wuchs selbst in einem Umfeld auf, wo 13-jährige Jungs mit Hundertdollarnoten wedelten. Sie interviewt ihre Eltern, sie geht auf die Spur ihrer ersten Werke und spricht mit den Jugendlichen von damals. Dabei wird immer deutlicher, dass der Turbokapitalismus prinzipiell nur zwei Arten von Menschen kennt: die eine Gruppe hat das Geld, und die andere Gruppe will es haben und ist bereit, beinahe alles dafür zu tun, um zumindest den Schein zu wahren. Die Mutter, die ihre vierjährige Tochter für Schönheitskonkurrenzen herausputzt, unterscheidet sich nur graduell vom Ex-Hedge Fond-Makler, der immer noch reicher werden wollte.

Trotz all der interessanten, teilweise verblüffenden Bilder bleibt Lauren Greenfield irgendwie an der Oberfläche kleben. Zwar beleuchtet sie einige Zusammenhänge, so die offensichtliche Verbindung zwischen Geld und Sex, jedoch bleibt es bei originellen Bildern und Stories aus den Nähkästchen von Huren und Freiern. Die Rolle der Frau in diesem Machtgefüge hätte eine intensive Betrachtung und Analyse durchaus verdient, doch statt in die Tiefe zu gehen, kehrt Lauren Greenfield in ihr eigenes Leben zurück. Schon angesichts ihrer vorzüglichen Kontakte wäre es durchaus möglich gewesen, beispielsweise einmal gründlich darüber nachzudenken, welche realistischen Möglichkeiten schöne Frauen ohne Geld haben, sich zu profilieren. Stattdessen kehrt Lauren Greenfield zu ihrer eigenen Geschichte zurück, sie spricht mit ihrer Familie, auch mit ihren Söhnen und wird immer mehr zur Vertreterin eines merkwürdig schlichten, diffus konservativen Weltbildes, das eigentlich so gar nicht zu ihr passen will und eher an 50er Jahre-Disneyfilme erinnert als an eine kritische Dokumentation. Nichts gegen Disneyfilme – sie haben durchaus ihren Charme und ihre Berechtigung, aber von einem Dokumentarfilm, der sich mit den Herausforderungen der Gegenwart befasst, könnte man etwas mehr erwarten als die schlichte Erkenntnis, dass man mit Geld keine Liebe kaufen kann. Wohlgemerkt geht es hier nicht um den Ruf nach Problemlösungen, sondern eher um den Wunsch nach etwas mehr professioneller Distanz. Etwas weniger Selbstbespiegelung hätte dem Film jedenfalls gut getan. Man muss nicht Psychologie studiert haben, um zu erkennen, dass es und welche Gründe es geben könnte, warum Lauren Greenfield seit ihrer Jugend von Reichtum und Dekadenz fasziniert ist. Ihre Bilder, in denen vorbildlich der Voyeurismus des staunenden Durchschnittsbürgers bedient wird, sind oft faszinierend und immer interessant. Ob beim Debütantinnenball in Moskau oder zwischen Bergen von Geld im Striptease-Club – es gibt viel zu sehen und zu bestaunen. Und schließlich regt sich sogar Sympathie gegenüber den durchgestylten und bis zur Perfektion aufgedonnerten Turbokapitalisten.
 
Gaby Sikorski