Hannah – Ein buddhistischer Weg zur Freiheit

Zum Vergrößern klicken

Als Special Interest-Film ebenso interessant und spannend wie als Biopic. Die Geschichte, wie der Buddhismus nach dem 2. Weltkrieg in den Westen kam, ist einer Frau zu verdanken, die praktisch ihr ganzes Leben dem Buddhismus und seiner Verbreitung widmete: Hannah Nydahl. Im Mittelpunkt des vielfach preisgekrönten Films, für den die Crew rund um die Erde gereist ist, steht die Spurensuche nach dieser ganz besonderen Frau und ihrer Berufung.

Webseite: www.hannah.wfilm.de

Dokumentarfilm
Hannah – Buddhism’s Untold Journey
Großbritannien 2014
Buch und Regie: Marta György-Kessler, Adam Penny
Kamera: Guy Nisbett
Länge: 89 Minuten
Verleih: W-film Distribution
Kinostart: 18. Januar 2018

AUSZEICHNUNGEN:

2017: Gilde Filmpreis: Publikumspreis
2016: Film Fest International London, Bester Dokumentarfilm
2015: Indian Cine Film Festival, Bester Dokumentarfilm
2014: ARPA International Film Festival, Gewinner: Publikumspreis

FILMKRITIK:

Hannah Nydahl, Jahrgang 1946, war eigentlich ein typisches Kind ihrer Zeit: In Dänemark geboren, nutzte sie in den 60er Jahren die Möglichkeiten, die unter anderem der Studentenbewegung sowie dem Optimismus und Freiheitswillen einer ganzen Generation zu verdanken waren. Sie war selbstbewusst und hoch gebildet, aber schon als Kind immer auf der Suche nach etwas, das ihrem Leben Sinn und inneren Frieden geben könnte. Als junge Studentin fand sie in Kopenhagen Ole wieder, den Gefährten ihrer Kindheit, der zu ihrer großen Liebe wurde. Die Hochzeitsreise brachte die beiden über den so genannten „Hippie Trail“ nach Katmandu in Nepal. Hier war seinerzeit der Zufluchtsort für viele Tibeter, die der chinesischen Invasion Tibets entkommen wollten. In Katmandu lernte Hannah 1968 das Oberhaupt des tibetanischen Buddhismus kennen. Dieser erste Kontakt wurde zum Auslöser für alles, was folgte. Der Buddhismus mit seinen Ritualen und Meditationstechniken war für Hannah die geistige Botschaft, die sie von ihren Zweifeln und Nöten befreite und ihr eine spirituelle Freiheit ermöglichte, die sie immer gesucht hatte. Sie lebte mit ihrem Mann im Kloster, lernte Tibetanisch und ließ sich in der buddhistischen Lehre ausbilden. Ab 1973 reiste sie mit Ole durch die Welt und gründete in vielen westlichen Ländern buddhistische Zentren. Sie wurde Dolmetscherin vieler buddhistischer Lehrer, die sie nach Europa oder Amerika begleitete. Bis zu ihrem Tod im Jahr 2007 blieb sie ihrer großen Aufgabe verbunden.
 
Was sich hier halbwegs nüchtern und sachlich liest, ist die Geschichte einer faszinierenden Persönlichkeit. Schon die ersten Aufnahmen des jungen Mädchens zeigen ihre besondere Ausstrahlung, eine außerordentliche Herzlichkeit und eine Offenheit, wie sie vielleicht typisch war für die 68er Jahre. Doch darüber hinaus fällt Hannahs Humor auf, ihre grundsätzliche Fröhlichkeit und ihr Optimismus, der sie auch in schwierigen Situationen nicht verlässt. In vielen Originalaufnahmen und Gesprächen, vor allem mit ihrem Mann Ole, mit ihrer Familie und Freunden sowie mit den Repräsentanten der buddhistischen Lehre entfaltet sich die Geschichte dieses außergewöhnlichen Lebens. Sie wurde zur Vertrauten, zur Sprecherin und damit zum Bindeglied zwischen den Vertretern des Buddhismus und einer westlichen Welt, die sich vor allem über materialistische Werte, über technischen Fortschritt und Konsum definierte. Gemeinsam mit ihrem Mann sorgte Hannah Nydahl dafür, dass der Buddhismus weiter verbreitet und immer populärer wurde. Sie war Botschafterin und damit auch Politikerin, allerdings komplett undogmatisch und frei von jeder Eitelkeit.
 
Die beiden Filmemacher Marta György-Kessler und Adam Penny haben sich für eine fast komplett chronologische Erzählweise entschieden. Lediglich zu Beginn und zum Ende gibt es ganz kurze Spielszenen, die schön ausgedacht und durchaus anrührend sind. Von Hannah Nydals Leben berichten sie immer in Zusammenhängen. Da geht es um die politischen Hintergründe der Fluchtbewegung nach Nepal, es geht um den Status von Tibet und selbstverständlich auch um die Lehre des „Diamantweg-Buddhismus“, dieser besonderen Richtung des Buddhismus, mit dem Hannah Nydal vor vielen Jahren Bekanntschaft machte. Diese Erzählweise im Kontext sorgt nicht nur für Seriosität, sondern dadurch wird letztlich jeder zwar nahe liegende, aber vollkommen unangemessene Kult um die 2007 verstorbene Frau vermieden. Der Informationscharakter steht deutlich im Vordergrund.
 
Nicht nur Filmfans, die sich für Hannah Nydal als Persönlichkeit und für die buddhistische Lehre interessieren, werden den vielfach preisgekrönten Film schätzen, sondern auch alle, die mit ihr gemeinsam lebendige Zeitgeschichte erleben möchten.
 
Gaby Sikorski