In the Middle of the River

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Ein junger Mann kehrt schwer traumatisiert aus dem Irak-Krieg in sein schlichtes Zuhause irgendwo in New Mexico zurück und will neu anfangen. Doch in seiner Abwesenheit ist seine Schwester unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen. Hat sein Großvater, ein zur Gewalt neigender Alkoholiker, die junge Frau missbraucht und getötet? Beklemmendes, nervös inszeniertes Drama, das eine Gesellschaft voller Gewalt und Aggression zeigt. Misstrauen prägt die Beziehung der Menschen, und manchmal ist es geradezu unerträglich, mit welchem Hass und welcher Wut sie aufeinander losgehen. Mit deutschen Geld als Beitrag für „Das kleine Fernsehspiel“ entstanden.

Webseite: www.river-film.de

Deutschland/USA 2018
Regie: Damien John Harper
Darsteller: Eric Hunter, Max Thayer, Nikki Lowe, Matt Metzler, Ava Del Cielo
Länge:113 Min.
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 16.8.2018

FILMKRITIK:

Gabriel, 26, war Soldat im Irak. Nun kehrt er schwer traumatisiert und verwundet aus dem Krieg nach New Mexico zurück, in einen schlichten Wohntrailer-Park irgendwo auf dem Land, wo Indianer, Mexikaner und weiße Unterschichts-Amerikaner nicht sehr friedlich zusammenleben. Gabriel ist schwer angeschlagen, körperlich und seelisch, das merkt man sofort. Ständig steht er unter Strom, ist aggressiv und schlecht gelaunt. Die vielen Pillen, die er schluckt, helfen nur wenig. Dann muss er erfahren, dass seine Schwester unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Hat vielleicht sein Großvater, ein zur Gewalt neigender Alkoholiker, die junge Frau missbraucht und getötet? Gabriel ist überzeugt davon. Er will Rache. Und er besitzt einen Revolver. Doch als er den alten Mann bei einem Treffen hinterrücks erschießen will, bringt er es nicht über sich. Sein kleiner Bruder hingegen ist Mitglied einer brutalen Jugendbande und ständig in Schwierigkeiten, von seiner Drogensucht ganz abgesehen. Und dann ist da noch seine indianischstämmige Freundin, die ihre Aggressivität in Boxkämpfen auslebt und Stress mit einer mexikanischen Mädchengang hat. Gabriel sucht derweil weiter nach Antworten, nach dem, was die anderen „das Geheimnis“ nennen.
 
„In the Middle of the River“, soeben beim Filmfest in München gezeigt, ist nach „Los Angeles” (2014) der zweite Film von Regisseur Damien John Harper, der auch als Autor fungierte. Das Drehbuch beruht zum Teil auf wahren Begebenheiten, die Schauspieler sind Laien und bringen ihre eigenen Lebenserfahrungen mit ein. Erfahrungen von gescheiterten Träumen und allgegenwärtiger Gewalt. Die Verhältnisse, sie sind nicht so – nicht nur Gabriel ist durch den Krieg geprägt, sondern auch sein Großvater, der in Vietnam gedient hat. Was sie dort erlebt haben, legt sich wie ein riesiger Schatten auf ihre Seele. Dass der jüngere dem älteren eine unvorstellbare Gewalttat zutraut, ist der tragende, vielleicht ein wenig zu starke Konflikt dieses Films. Misstrauen prägt die Beziehung der beiden Männer, ein Misstrauen, das sich auch auf ihre Umgebung auswirkt. Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber, obwohl sie als Verlierer der amerikanischen Gesellschaft eigentlich zusammenhalten müssten. Manchmal ist es geradezu unerträglich, mit welchem Hass und welcher Wut die Menschen aufeinander los gehen. Sie bedrohen sich mit Waffen, die man jederzeit, auch als Minderjähriger, in Läden kaufen oder zumindest stehlen kann – ein Hinweis auf die aktuelle Waffendiskussion in den USA. Und so ist auch der englischsprachige Filmtitel zu verstehen: „In der Mitte des Flusses“ ist die Strömung am stärksten. Schwer, sich da gegen die kräftigen Wellen zu wehren. Die unruhige Handkamera rückt den Figuren dabei nah auf die Pelle, sie gibt einen nervösen, schwindelmachenden Rhythmus vor, der die ständige Gewalt und Aggressivität spiegelt. Eine spürbar Unruhe macht sich breit, die sich jederzeit in einer Katastrophe entladen kann.
 
Michael Ranze