Monsieur Pierre geht online

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Regisseur Stéphane Robelin sorgt mit seiner neuen Liebes- und Verwechslungskomödie für gute Laune jenseits aller Altersgrenzen. Vor allem sein Hauptdarsteller Pierre Richard („Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“) ist ein wahrer Glücksgriff. Der Grandseigneur wandelt sich bei seinem Datingabenteuer in der Internetwelt vom griesgrämigen Witwer zum agilen Best-Ager auf Freiersfüßen. Nach Robelins heiteren, warmherzigen Film über eine eigenwillige Rentner-WG punktet sein Lustspiel erneut mit seiner präzisen Inszenierung und jeder Menge unverbrauchter Pointen.

Webseite: www.neuevisionen.de

Deutschland, Frankreich, Belgien 2017
Regie: Stéphane Robelin
Drehbuch: Stéphane Robelin 
Darsteller: Pierre Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette, Stéphanie Crayencour, Stéphane Bissot
Länge: 99 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 22. 6. 2017

FILMKRITIK:

Er gilt als der französische Buster Keaton und Woody Allen in einer Person: Pierre Richard. Mit der Agentenkomödie „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“  verzauberte er in den 1970er Jahren ein Millionen-Publikum mit seiner entwaffnenden Arglosigkeit und lächelte sich auf liebenswürdigste Weise durch alle Kalamitäten. Der geniale Komödiant steht immer noch vor der Kamera: Hohe Stirn, blaue Augen, schütterer, weißer Vollbart, die ehemals blonde Mähne mittlerweile auch weiß. Coole Klamotten, lässige Körpersprache. Der Kopf eines philosophischen Bonvivants, dem niemand unterstellen würde, er sei in seiner Einfalt nicht mehr von dieser Welt. Auch im Alter kennt so jemand keinen Stillstand.
 
Und so präsentiert er sich auch als französische verwitwete Rentner Pierre, der sich plötzlich auf ein Datingabenteuer im Internet eingelassen hat. Schuld daran: seine Tochter Sylvie  (Stéphane Bissot). Weil ihr alter Vater seit zwei Jahren seine Pariser Wohnung nicht mehr verlassen hat, sondern nur noch um seine verstorbene Frau trauert, soll er lernen, sich online zu bewegen. Das Internet, so hofft sie, holt ihn aus seiner Isolation Alex (Yaniss Lespert), der neue Freund ihrer Tochter Juliette (Stéphanie Crayencour), ein erfolgloser Schriftsteller, kommt ihr da gerade recht. Er muss dem alten Herrn, gegen ein Entgelt, Computerunterricht geben.
   
Anfangs fällt dem Lernduo der Umgang miteinander schwer. Doch als Pierre sich Dank der beruhigenden Anonymität des Internets als Verführer entdeckt, nimmt die Beziehung Fahrt auf. Denn auf den Dating-Seiten stolpert er eines Tages über das Profil der jungen flora63 (Fanny Valette). Die 31-jährige Physiotherapeutin, die so schön ist wie seine geliebte Frau Madeleine auf den Urlaubsfilmen von einst, erobert er mit seiner romantisch, charmanten Online-Korrespondenz. Es dauert nicht lange und sie schlägt ein Treffen vor. Das Dumme dabei: Pierre hat als Profilbild ein Foto von Alex online gestellt. Deshalb gibt es nur einen Ausweg. Alex muss sich mit der jungen Frau treffen.
 
Pierre will ihn bei diesem Rendezvous im fernen Brüssel aber nicht aus den Augen lassen. Eine verzwickte, etwas andere Ménage-à-trois beginnt. Immer wieder sorgt die ungewöhnliche Dreiecksbeziehung für hinreißende Missverständnisse. Vor allem Sylvie (Stéphane Bissot) und Juliette (Stéphanie Crayencour) wollen dem Frieden dieses „Zweiten Frühlings“ nicht so recht trauen. Und auch Alex emotionales Doppelleben droht jeden Moment aufzufliegen. Die von Edmond Rostands Versdrama Cyrano de Bergerac von 1897 inspirierte Handlung über einen heimlich Verliebten, der einem anderen Mann als Ghostwriter dient, würzt Regisseur Stéphane Robelin mit erfrischender Situationskomik.
 
Nach seinem heiteren, warmherzigen Film „Und wenn wir alle zusammenziehen?“ über eine eigenwillige Rentner-WG punktet sein herrliches Lustspiel erneut mit seiner präzisen Inszenierung und jeder Menge unverbrauchter Pointen. „Ich mag es“, gesteht der Regisseur und Drehbuchautor „für ältere Menschen Geschichten zu erfinden“. Sein leichter Erzählton in seiner hinreißenden Komödie der Irrungen macht gute Laune über alle Altersgrenzen hinweg.
 
Luitgard Koch