Niemandsland – The Aftermath

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Die Verfilmung des Romans von Rhidian Brook erzählt vom besetzten Nachkriegsdeutschland, in dem ein britischer Offizier mit seiner Frau in das Haus eines deutschen Architekten einzieht, dem Mann und seiner Tochter aber erlaubt, ebenfalls dort zu bleiben. Er kann aber nicht ahnen, dass sich zwischen seiner Frau und dem Deutschen eine Beziehung anbahnt. Gefühlsbetontes Drama, das den geschichtlichen Hintergrund etwas zu sehr vernachlässigt, aber dafür superb gefilmt ist.

Webseite: www.niemandsland-derfilm.de

The Aftermath
Großbritannien, Deutschland, USA 2018
Regie: James Kent
Darsteller: Keira Knightley, Alexander Skarsgard, Jason Clarke, Jannik Schümann
Länge: 108 Minuten
Verleih: Fox
Kinostart: 4. April 2019

FILMKRITIK:

Eigentlich wollte Ridley Scott den Stoff selbst verfilmen, im Zuge der vielen Projekte, an denen er arbeitet, blieb dafür aber nicht mehr die Zeit, so dass James Kent („Testament of Youth“) zum Zug kam. Er bringt seine eigene Sensibilität in die Geschichte ein, die auf Basis des Romans von Rhidian Brook entstand, aber zugunsten einer melodramatischen Erzählung viele Nebenhandlungen auf ein Minimum verringert.
 
Hamburg im Jahr 1945: Nur wenige Monate nach Kriegsende wird das Haus des Architekten Lubert (Alexander SKarsgard) von der britischen Armee konfisziert. Dort zieht Colonel Morgan (Jason Clarke) mit seiner Frau Rachael (Keira Knightley) ein. Morgan ist ein anständiger Mann, der versucht, den Besiegten wenigstens die Würde zu lassen. Auf seine Initiative hin müssen Lubert und seine Tochter Freda (Flora Thiemann) nicht ausziehen, was Rachael alles andere als Recht ist. Seit ihr kleiner Sohn drei Jahre zuvor im deutschen Bombenhagel umkam, ist sie auf die Deutschen nicht mehr gut zu sprechen, in Lubert findet sie jedoch jemanden, der ähnliches wie sie erlebt hat und ebenso wie sie, deren Mann ständig dienstlich unterwegs ist, einsam ist. Eine zarte Romanze entwickelt sich.
 
Im Roman wird stärker noch auf die Nebenhandlungen eingegangen. Auf die Mitglieder der ehemaligen Hitlerjugend, die immer noch Widerstand leisten, auf Freda, die einen dieser Jungen liebt, auf den Entnazifizierungsprozess, dem sich auch Lubert unterziehen muss. Aber all das passiert hier en passant. Es trägt zur eigentlichen Handlung kaum etwas bei. Das gilt im Grunde sogar für den interessanten Ansatz, den Film kurz nach Kriegsende spielen zu lassen. Eine Zeit, die gerade filmisch eher selten umgesetzt wird, aber großes Potenzial besitzt, wie etwa Christian Petzolds „Phoenix“ sehr eindrucksvoll gezeigt hat. An ein solches Werk kann „Niemandsland – The Aftermath“ nicht heranreichen, weil das Ziel im Grunde nicht mehr als großes Gefühlskino ist. Das wiederum erschafft Kent auch mühelos, wobei er auf die exzellente Photographie von Franz Lustig („How I Live Now“) und ein sehr gutes Trio an Schauspielern zurückgreifen kann.
 
Die undankbarste Rolle hat Skarsgard, dessen Lubert ein anständiger Mann zu sein scheint, über den man aber nicht viel erfährt. Er bleibt etwas rätselhaft, zu sehr Hülse als konsequent entwickelte Figur, weswegen die Romanze zur erst reservierten Rachael auch etwas abrupt erscheint. Hier fehlt der zeitliche Entwicklungsrahmen, diese Beziehung glaubwürdig zu gestalten. Was funktioniert, ist der Umstand, dass beide nicht zwangsläufig die Liebe füreinander entdecken, sondern einander Trost spenden. Sie lebt in einer Ehe, in der der Mann sich seit dem Tod des Sohnes zurückgezogen hat, er hat den Tod seiner eigenen Frau nicht verwunden. Sie sind Ersatzmenschen füreinander, aber das ist nicht die Basis für die große Liebe. Auch nicht für das ganz große Drama, denn Lubert bleibt zu unnahbar. Man hätte mehr über ihn erfahren müssen, vielleicht auch Negatives, um das dramatische Potenzial zu erhöhen.
 
Etwas außen vor scheint hier Jason Clarkes Figur Morgan zu sein, aber er ist derjenige, der vielleicht am Ehesten in diesem ganzen Szenario unschuldig ist. Dass er sich von seiner Frau zurückgezogen hat, war ein Überlebensmechanismus, dem er nach dem Tod seines Sohnes nicht entgehen konnte. Aber er ist ein grundanständiger Mann, der darum weiß, was der Krieg beiden Seiten angetan hat, und nicht mit Rachsucht, sondern Verständnis zu reagieren versucht. Er lässt den Besiegten ihre Würde und kümmert sich – mehr als er es bei seiner Frau imstande ist.
 
So kreisen die drei Figuren umeinander. Zueinander getrieben, aber auch von den Umständen entzweit, und das bis zum konsequent durchdachten Finale, das in gewisser Weise glücklich ist. Weil es einen neuen Anfang darstellt – und dem immer auch ein Zauber innewohnt.
 
Peter Osteried