Patty Cake$ – Queen of Rap

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Eine Aufstiegsgeschichte, wie sie Hollywood liebt, erzählt Geremy Jasper in seinem Spielfilmdebüt “Patty Cake$” - bzw. die Indie-Version. Denn seine Heldin ist stark übergewichtig und sozial benachteiligt, was sie zwar in der Realität zur Außenseiterin machen würde, sie im Kino aber als Identifikationsfigur sondergleichen prädestiniert.

Webseite: www.PattiCakes-DerFilm.de

USA 2016
Regie & Buch: Geremy Jasper
Darsteller: Danielle MacDonald, Bridget Everett, Siddharth Dhananjay, Mamoudou Athie, Cathy Moriarty, McCaul Lombardi
Länge: 109 Minuten
Verleih: FOX
Kinostart: 2. November 2017

FILMKRITIK:

Patti (Danielle MacDonald) hat einen Traum: Sie will rappen, im Glanz der Bühne stehen, von den Massen bejubelt werden. Doch ihre Realität ist eine andere: Sie ist stark übergewichtig, arbeitet in einer schmierigen Bar und lebt zusammen mit ihrer Mutter Barb (Bridget Everett) und ihrer Großmutter (Cathy Moriarty) in heruntergekommenen Verhältnissen in New Jersey. Die Silhouette von New York ist in der Ferne zwar zu erahnen, doch vom großen Erfolg könnte Patti kaum weiter entfernt sein. Allein ihr bester und einziger Freund Hareesh (Siddharth Dhananjay) glaubt an sie, ist als pakistanischer Einwanderer allerdings kaum weniger stigmatisiert als Patti. Erst als das Duo den experimentellen Musiker, der sich Basterd (Mamoudou Athie) nennt, kennen lernt, beginnt das Schicksal sich zu wenden. Doch beim Versuch, ihr Idol O-Z (Sahr Ngaujah), einem erfolgreichen Rapper, mit einer Kostprobe ihres Talents zu überzeugen, wird Patti gedemütigt wie noch nie.
 
Dass das jedoch nicht das Ende von Pattis Träumen ist, ahnt, nein, weiß jeder, der schon einmal einen Film wie „Rocky“ oder „8 Miles“ oder eine der anderen, unzähligen Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Erfolgsgeschichten gesehen hat, die das amerikanische Kino so liebt. Je tiefer die Fallhöhe dabei ist, aus je schlimmeren, ärmlicheren, Ratten verseuchten Verhältnissen die Helden dabei stammen, um so besser, um so mitreißender die Erfolgsgeschichte, so zumindest die Logik vieler Autoren und Regisseure, zu denen sich nun Geremy Jasper gesellt.
 
Immer wieder wirkt sein Spielfilmdebüt „Patti Cake$“ so dick aufgetragen, dass man sich in einer Satire wähnt. So unvorstellbar scheint der Versuch Pattis, sich als weißes, übergewichtiges Mädchen aus den Niederungen New Jersey zum Erfolg zu erheben, dass es wie ein Traum wirkt. Und vielleicht ist es das auch, heißt ihr Idol doch nicht umsonst O-Z, so wie der Zauberer von Oz, von dem Dorothy sich Erlösung verspricht, der sich jedoch als falscher Prophet entpuppt.
 
Je dicker Jasper da aufträgt, umso mehr mutet „Patti Cake$“ wie eine sehr zeitgemäße Satire über das verlorene Versprechen des amerikanischen Traums, die Illusion, dass es jeder nach oben schaffen kann, wenn er es nur wirklich will. Doch gerade die Außenseiter, die Jasper zeigt, von unattraktiven, übergewichtigen Weißen, über Einwanderer, bis zu exzentrischen, eigenbrötlerischen Schwarzen, sind die letzten, die im amerikanischen Mainstream Aussicht auf Erfolg und sozialen Aufstieg haben.
 
Doch auch wenn die stärksten Momente in „Patti Cake$“ jene sind, in denen die soziale Realität des Lebens am Rand der Gesellschaft mit Genauigkeit, aber ohne Voyeurismus gezeigt werden: Einen realistischen Film zu drehen war am Ende nicht Jaspers Absicht. Stattdessen bejaht er die Möglichkeit des Erfolgs, die Möglichkeit des Aufstiegs und der Überwindung aller Hindernisse, mögen sie auch noch so einschüchternd erscheinen. Dass er damit gerade auf dem wichtigsten amerikanischen Independent-Festival in Sundance so viel Erfolg hatte, überrascht nicht, im Gegenteil. Gerade das Indie-Kino berauscht sich gerne selbst an der eigenen Sympathie für sozial schlechter Gestellte, für Minderheiten. Dass sie dabei auch eine Illusion verkaufen ist ein Teil des Kinos.
 
Michael Meyns