Safari – Match Me If You Can

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Die Technik macht’s möglich: Mit der Safari-App können Singles unkompliziert Kontakt untereinander aufnehmen. Aber ob eine App tatsächlich dabei hilft, die große Liebe zu finden? Die handwerklich exzellent gemachte Komödie zeigt mit satirischem Touch eine urbane Gesellschaft, in der sich Sexwillige ganz einfach finden können. Dass der Film ausgerechnet in München spielt, ist ein hübscher Seitenhieb auf die Schickimicki-Hauptstadt. Sehr frei nach Schnitzlers REIGEN gibt es auch hier unerwartete Verbindungen und Verwicklungen. Flott inszeniert und mit witzigen Dialogen ist der Film unterhaltsam, alle Bemühungen um Tiefsinn wirken da eher störend. Wer eine leichte, frische Komödie sehen möchte, wird hier aber auf jeden Fall Spaß haben.

Webseite: www.safari-derfilm.de

Deutschland 2018
Regie: Rudi Gaul
Drehbuch: Rudi Gaul, Friederike Klingholz
Darsteller: Justus von Dohnányi, Sunnyi Melles, Elisa Schlott, Juliane Köhler, Friederike Kempter, Max Mauff, Sebastian Bezzel, Janina Fautz
109 Minuten
Verleih: Concorde
Kinostart: 30. August 2018

FILMKRITIK:

München gilt deutschlandweit als Hauptstadt der Oberflächlichkeit, der Angeber und Hochstapler – die ironische Sicht auf das Mekka der Reichen und Schönen ist eine der Grundlagen für diese Komödie über die Begleiterscheinungen von Social Media und Flirt-Plattformen. Eigentlich ist die turbulente Gruppen-RomCom sogar ein Science-Fiction-Film, denn eine App wie Safari existiert (noch) nicht, obwohl die Idee eines Jagdradars und Lockrufs via Handy zur Partnersuche naheliegend ist. Die trickreiche Darstellung ist dabei so glaubwürdig, dass der satirische und futuristische Ansatz zwischendurch vollkommen in Vergessenheit geraten könnte. Letztlich geht es aber doch nicht um Sex, sondern, eigentlich ganz brav, um die wahre Liebe und um die Suche danach. Jeder hier wünscht sich aber zunächst mal den ultimativen Kick, jeder wahrt den schönen Schein, und jeder hat ein Geheimnis. Harry tollt als Pilot und anerkannter Frauenschwarm durchs Netzwerk, während seine nichtsahnende Frau Aurelie als Psychologin sexuelle Störungen therapiert. Einer ihrer Klienten ist David, der immer noch auf der Suche nach der passenden Partnerin fürs erste Mal ist. Mona hingegen ist 50 und träumt nach vielen männerlosen Jahren von einem richtigen Kerl, die Influencerin Lara muss offiziell für ihre Auftraggeber Jungfrau bleiben, der scheinbar so taffe Videoblogger Arif gibt anderen Männern Tipps für die erfolgreiche Anmache und ist selbst fleißiger Safari-Kunde. Und dann ist da noch der alleinerziehende Vater Life, ein ganz normaler Münchner, der endlich mal wieder Sex haben möchte.
 
Mit viel Schwung gehen die Autoren ans Werk und erzählen flott und flüssig die Geschichten ihrer Hauptpersonen. Das hat durchaus seinen Reiz. Obwohl jede Figur eine eigene Biographie und Geschichte hat und obwohl es außer der gemeinsamen Verbindung zur App Safari keinen konkreten roten Faden gibt, ist kein Episodenfilm entstanden, sondern – mit gewissen Ähnlichkeiten zum REIGEN von Arthur Schnitzler – eine in sich geschlossene Geschichte. Wie bei Schnitzler geht es um Sex, wobei auch hier die Personen ihre Partner wechseln. Anders als bei Schnitzler – und damit deutlich filmischer – gibt es keine einfachen Verbindungen von A nach B und von B weiter zu C, sondern hier wird fröhlich durchgewechselt. A trifft B, der C kennt, die schon mal was mit D und A hatte, und so weiter. Ebenfalls ausgespart wird der sozialkritische Hintergrund des damaligen Skandalstücks. Bei Schnitzler geht die Reise durch sämtliche gesellschaftliche Schichten, vom Adel bis zum Proletariat, und es gibt keine Sexszenen. Der Film hingegen zeigt sie, wenn auch in stark abgemilderter, fast jugendfreier Form – hier ein Nippelchen, dort ein blanker Podex. Der satirische Charakter der Story sowie der Umgang mit der App und ihren Tücken rückt im Lauf der Zeit immer mehr in den Hintergrund, während die einzelnen Charaktere und ihre Beziehungskisten immer wichtiger werden. Diese Entwicklung ist zwar logisch, sorgt aber dafür, dass besonders in der zweiten Hälfte die Schauspieler extrem viel damit zu tun haben, ihre Geschichten mit Situationskomik am Leben zu halten, weil in Sachen Safari nichts Neues passiert. Letztlich bleibt die App ein McGuffin, also der Auslöser für eine Handlung, der später keine Rolle mehr spielt. Das ist ein bisschen schade, denn so verliert sich die unterschwellige Medienkritik, die dem Film zu Beginn zusätzlichen Witz und Biss gibt. Offenbar gibt es auch Nachholbedarf in Sachen gewissenloser Albernheit. Das wird besonders deutlich in den ernsthaften Momenten, die aus unerfindlichen Gründen die fröhliche Unbekümmertheit des „Wer mit Wem?“ unterbrechen. Dann ist kurz mal Schluss mit lustig und mit dem ansonsten schönen Drive, der die Handlung nach vorne treibt.
 
Dass die Komödie dennoch auf der Unterhaltungsebene so gut funktioniert, liegt zu großen Teilen an der Besetzung. Justus von Dohnányi spielt den Westentaschen-Casanova Harry mit virilem Charme als liebenswerten Schwindler. Sunnyi Melles als Psychologin Aurelie mit graziler Eleganz und heftigem französischen Akzent ist seine ahnungslose Ehefrau, die einem kleinen Seitensprung ebenfalls nicht abgeneigt ist. Als unglücklicher Möchtegern-Lover David zeigt Max Mauff viel komisches Talent. Elisa Schlott spielt die Internet-Ikone und Berufsjungfrau Lara sehr natürlich und mit schönem Timing. Und dann ist da noch und vor allem Sebastian Bezzel. Der Mann spielt einfach unfassbar gut, und es scheint, als würde er von Film zu Film immer besser werden. In seiner Haltung und in seinem Gesicht vereint sich das ganze tragikomische Elend eines überarbeiteten Singlevaters, der versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Sebastian Bezzels absolut authentische Präsenz ist ebenso beeindruckend wie seine Fähigkeit, Dialoge so witzig wie beiläufig zu servieren.
 
Zusätzlich beeindruckt der Film mit einer vorzüglichen Kamera- und Bildtechnik sowie mit vielen hübschen optischen Effekten, was besonders für die Funktionsweise der App gilt. Der frische, lustige Titelsong von Laing ist hitverdächtig und wendet sich ebenso wie der Plot mit seinen mehr oder weniger pikanten Verstrickungen an ein jüngeres Publikum. Wenn es am Ende doch mehr um die große Liebe geht statt um schnellen Sex und mehr um den Flirt von Angesicht zu Angesicht als ums Tippen von Nachrichten, dürfen sich alle beruhigt im Kinosessel zurücklehnen: Denn eigentlich hat sich auch im Zeitalter der virtuellen Partnersuche wenig geändert.
 
Gaby Sikorski