Schmucklos

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Mit viel Witz und Liebe zum Detail wirft die bayerische Heimat-Komödie „Schmucklos“ einen Blick auf zwei glücklose Künstler, die ihre eigene Kneipe eröffnen. Dabei nimmt Regisseur Thomas Schwendemann nicht nur die Besonderheit der Isar-Metropole und ihrer Bewohner aufs Korn, sondern befasst sich auch mit aktuellen Entwicklungen und gesellschaftlichen Problemen. „Schmucklos“ ist ein unterhaltsames, eigenwilliges Schelmenstück, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. Ein Faible für derben Humor aber sollte der Zuschauer mitbringen.

Webseite: schmucklos-film.de

Deutschland 2019
Regie: Thomas Schwendemann
Drehbuch: Thomas Schwendemann, Stefan Fent
Darsteller: Stefan Fent, Thomas Schwendemann, Franziska Zawila, Marianne Sägebrecht, Thomas D., Uschi Glas
Länge: 109 Minuten
Verleih: Arsenal
Kinostart: 21. November 2019

FILMKRITIK:

Aus der Not eine Tugend machen der 40-jährige Augustin (Thomas Schwendemann) und der mittellose Mittdreißiger Roland (Stefan Fent) als sie kurzerhand beschließen, das ehemalige Lokal von Augustins Großmutter (Marianne Sägebrecht) in München neu zu eröffnen. Denn irgendwo muss ja das Geld herkommen. Die Zeiten großer Projekte liegen für den Münchener Werbefilm-Regisseur Augustin ebenso wie für den aus Wien stammenden Roman-Autor Roland schließlich lange zurück.

Aufgrund des fehlenden Startkapitals gibt es in ihrem Gasthaus „Schmucklos“ jedoch nur ein Getränk  und eine Speise. Und auch nur eine CD, die jeden Tag in Dauerschleife rotiert. Zur Überraschung aller läuft der originelle, urige Laden nach kurzer Zeit erstaunlich gut. Doch der reiche Hausbesitzer Giesinger (Joseph Hannesschläger) und sein Sonny (Oliver Scheffel) haben ganz eigene Pläne mit dem Viertel, in dem die Gaststätte liegt. Droht das Ende vom „Schmucklos“?

Mit reichlich Lokalkolorit und rustikalem Charme setzt Regisseur und Hauptdarsteller Thomas Schwendemann seiner Heimatstadt und der bajuwarischen Lebensart ein filmisches Denkmal. Schon relativ zu Beginn des Films spielt er in den bissigen Dialogen immer wieder auf die Mietkostenproblematik aber auch den hohen Lebensstandard in München an. Und: auf die Exklusivität, sich einen waschechten Münchener nennen zu können („In München wird man geboren oder man wird dorthin eingeladen.“). Dabei spielt er natürlich bewusst mit Klischees und Vorurteilen, von denen er die meisten mit diebischer Freude bestätigt.

Zum Beispiel ist Hauptfigur Augustin ein Münchener Original, wie man es sich gemeinhin vorstellt: Ein stämmiger, etwas grobschlächtiger Typ, dessen Lieblingsgetränk (Giesinger) Bier ist. Zudem verfügt er über einen schrulligen Humor und die typische „Mia-san-Mia“-Attitüde. Und auch die Plauze nimmt bereits deutliche Formen an. Apropos Giesing: Dem ehemaligen Münchener Arbeiterviertel zollt Schwendemann ganz besonders Tribut, da er die Haupthandlung dort angesiedelt hat und mit subtilen Andeutungen sowie spaßigen Begegnungen (etwa mit einer Gruppe „1860-München“-Fans) auf die Geschichte und die Besonderheiten des Stadtteils verweist. Gelungen sind zudem die deutlichen Hinweise auf einige der drängendsten Probleme unserer Zeit (die Gentrifizierung der Städte, der Hass gegen Migranten und „Zugezogene“), da sie sich stimmig in die Handlung einfügen.

Der Storyverlauf ist insgesamt weitestgehend vorhersehbar und verläuft wenig überraschend. Außerdem ist jederzeit klar, wer die Guten und wer die – schlicht gezeichneten – Bösen sind. Joseph Hannesschläger liefert jedoch eine herrlich überzogene, augenzwinkernde Darstellung als geldgieriger Bösewicht, der an den legendären Mafiapaten Don Vito Corleone angelehnt ist. Witzig sind darüber hinaus die weiteren Reminiszenzen an Filmklassiker (etwa die Italo-Western der 60er oder den Prügel-Film „Banana Joe“). Und ebenso die zahlreichen Gastauftritte beliebter bayerischer Schauspieler sowie bekannter Münchener sorgen für Abwechslung und Heiterkeit.

Besonders stechen hier Michaela May als kühne Hausbewohnerin und Marianne Sägebrecht als gutherzige, weise Oma hervor, die – obwohl bereits verstorben – dennoch zu ihren illustren Auftritten kommt. Ganz klar: Der deftige, exzentrische Humor ist das wichtigste Element des Films. Meistens funktioniert dieser auch ausgesprochen gut, nur hier und da schießt Schwendemann übers Ziel hinaus. Wenn zum Beispiel eine Küchenschabe plötzlich zu Rappen oder ein Pissoir mit dem volltrunkenen Roland zu sprechen beginnt, dann driftet „Schmucklos“ doch arg in alberne Gefilde ab.

Björn Schneider