Swimming With Men

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Nirgendwo werden Underdogs amüsanter gefeiert als im britischen Kino! In der Tradition von „Ganz oder gar nicht“ oder „Kalender Girls“ strampelt sich in dieser Feel-Good-Komödie ein Trupp männlicher Synchronschwimmer ab, um sich im tristen Hallenbad ein bisschen Würde und Werte im Leben zu bewahren. Die sportlichen Anstrengungen der schrägen Stehaufmännchen fallen erwartungsgemäß ebenso situationskomisch wie selbstironisch aus. Not amused dürften allein die Funktionärs-Bonzen von Olympia sein: Sie verbieten Männern bis heute den Zutritt ins Synchronschwimm-Becken.

Webseite: www.alamodefilm.de

GB 2018
Regie: Oliver Parker
Darsteller: Rob Brydon, Spike White, Rupert Graves, Jim Carter, Adeel Akhtar, Charlotte Riley
Filmlänge: 94 Minuten
Verleih: Alamode, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 7. Juni 2018

FILMKRITIK:

Dem gebeutelten Helden ist schon während des Vorspanns anzusehen, dass sein Leben längst kein Ponyhof mehr ist. Gebeugt schleicht Buchhalter Eric durch sein Büro. Und von dort nach Hause. Nur im Schwimmbad legt er einen kleinen Halt ein, um ein paar Bahnen zu ziehen. Dabei verpasst er fast die Party, die Gattin Heather im Wohnzimmer gibt, um ihre Politkarriere als Gemeinderätin zu feiern. „Wer ist das?“ will der pubertierende Sohn vom Vater wissen und zeigt auf den Gast, mit dem die Mutter kichernd plaudert. „Das ist ihr Boss: Dr. Joseph Goebbels!“ kommt als sarkastische Antwort. „Oh, ein Doktor. Cool.“ freut sich der Teenager.
 
Ähnlich amüsant und flott fällt die erste Skizzierung der Synchronschwimmer-Truppe aus, auf die der Buchhalter zufällig im Becken trifft. „Unser Verein ist mehr als ein Verein. Er ist eine Idee!“, erklärt der eine. „Ein Protest gegen das Ende von Träumen und die Sinnlosigkeit des Lebens“, schwärmt der zweite. „Ein Protest gegen das, was aus uns geworden ist“, ergänzt der dritte. Derweil der vierte die Mission britisch pragmatisch sieht: „Gegen die steigenden Bierpreise!“. Das neue Mitglied erweist sich als Naturtalent, das beim ersten Training bereits mühelos den „Schneebesen“ beherrscht. Dessen Vorliebe für Mathematik erweist sich zudem als nützlich für die sichere Konstruktion der neuen Schwebefiguren im Wasser.
 
Im trauten Heim hängt derweil der Haussegen immer schiefer. Eric reagiert zunehmend eifersüchtig auf die Karriere seiner Frau, vor allem auf deren neuen Chef. „Du bist nicht mehr du selbst!“, muss er sich vorwerfen lassen. Am Arbeitsplatz sinkt die Frustrationstoleranz gleichfalls rapide. Die Pub-Besuche spenden nur wenig Trost. Nur im Hallenbad schwimmt der Held seiner Midlife-Crisis erfolgreich davon, ist gleichsam synchron mit sich selbst. Umso größer die Freunde, als die Hobby-Planscher ganz große Pläne schmieden: Die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Mailand. Mit der attraktiven Susan ist schnell eine Trainerin gefunden. Doch je näher der Wasserballett-Termin rückt, desto größer wird die Panik. Während die einen sich ihre persönlichen Probleme anvertrauen, liegen bei den anderen die Nerven blank. Erst recht, als der tapsige Klein-Ganove im Team den gesamten Auftritt gefährdet. Vor dem großen Tag in Italien gibt es allemal noch entscheidende Dinge zu klären.
 
Bei seinem Figurenkabinett der liebenswerten Loser verzichtet „Johnny English 2“-Regisseur Oliver Parker bewusst auf aalglatte Sixpack-Schönheiten aus dem „Magic Mike“-Traumfabrik-Katalog, stattdessen mühen sich hier die ganz normalen Durchschnitts-Typen mit gelegentlichem Übergewicht um Anmut über und unter Wasser. Ob Zahnarzt, Bauarbeiter, Bauer, Makler oder Kleinganove: In diesem Pool sind alle absolut gleich. Damit dies auch so bliebt, lautet der erste Paragraph der putzigen Vereinssatzung: „Was im Becken passiert, das bleibt im Becken.“
 
Um den englischen Comedy-Star Rob Brydon als Buchhalter Eric gesellen sich renommierte TV-Größen wie Rupert Graves (Sherlock), Jim Carter (Downton Abbey) und Adeel Akhtar (Four Lions). Die Chemie in dieser Herrenriege fällt spürbar stimmig aus. Sichtlich entspannt spielt man sich die Pointen-Bälle zu. Für Situationskomik gibt es reichlich Anlass - und die fällt bei Briten traditionell mit jenem unnachahmlich unaufdringlichem Understatement aus, die bei einem realen Namenswettbewerb für ein Expeditionsschiff unlängst dazu führte, dass der Vorschlag "David Attenborough" auf den zweiten Platz verwiesen wurde und stattdessen der absurde Spaß-Name „Boaty McBoatface“ die Mehrheit der Stimmen bekam.
 
So originell die Story klingen mag: Das ist alles nur geklaut! Anno 2008 präsentierte Schweden bereits die Komödie „Männer im Wasser“. Zudem plätscherte eine schwedische Herren-Mannschaft in der Dokumentation „Men Who Swim“. Mit Sportsgeist verneigen sich die Briten vor dem Vorbild - und integrieren die Skandinavier kurzerhand als amüsanten Katalysator in ihre Story.   
 
Die grandiosen Clou-Qualitäten von „Ganz oder gar nicht“ mögen zwar nicht ganz erreicht werden. Dem heimischen Komödien-Einerlei schwimmen diese schrägen Badenixen allemal mit weitem Abstand souverän davon.
 
Dieter Oßwald