Von Bienen und Blumen

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Leben auf dem Land. Eine Vorstellung, die dem jungen, hippen Großstadtbewohner eigentlich ein Graus sein sollte, doch auch der wird mal älter und hat genug von Stress und Hektik. So ging es auch der Regisseurin Lola Randl, die vor einigen Jahren von Berlin in die Uckermark zog und dort, wie sie in ihrer Dokumentation „Von Bienen und Blumen“ zeigt, neue Lebensformen erkundet.

Webseite: bienenundblumen-film.de

Dokumentation
Deutschland 2018
Regie: Lola Randl
Länge: 90 Minuten
Verleih: eksystent distribution
Kinostart: 9. Mai 2019

FILMKRITIK:

Als 13. Bezirk der Hauptstadt bezeichnen manche Berliner Zeitungen die nordöstlich gelegene Region Uckermark, in der sich auch das Dorf Gerswalde befindet. Dort kaufte die Regisseurin Lola Randl („Die Erfindung der Liebe“, „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer“) vor einigen Jahren ein Haus, das als Wochenenddomizil gedacht war. Doch bald zog sie mit ihrem Partner Philipp und zwei Kindern ganz in die Provinz und begann, das Haus zu einem Projekt auszubauen, das immer weitere Kreise zieht.
 
Schon in der TV-Serie „Die Landschwärmer“ dokumentierte sie ihre Bemühungen, neues Leben nach Gerswalde zu bringen, Berliner Freunde in die Uckermark einzuladen, sich am Gemüse- und Obstanbau zu versuchen. In ihrer Dokumentation „Von Bienen und Blumen“ geht sie nun noch weiter, denn der mehrdeutige Titel weist schon darauf hin, dass es hier nicht nur um das Leben in und mit der Natur geht, sondern auch um zwischenmenschliche Beziehungsformen.
 
Anfangs scheint es Randl in ihren Beobachtungen, die sie größtenteils selbst mit wackeliger Digitalkamera gefilmt hat und die von einem ironischen Kommentar unterlegt sind, ausschließlich um die Landwirtschaft zu gehen. Beete werden angelegt, Felder gepflügt, erweist sich der Städter als zwar wenig geschickt, aber sehr lernwillig. Doch immer mehr rückt ein zweiter Aspekt in den Vordergrund, Randls polyamouröse Lebensweise. Neben ihrem offenbar langjährigen Lebensgefährten Philipp (ganz klar wird sicher bewusst nicht, wer hier mit wem wie intensiv zusammen ist) taucht da Bernd auf, ein zweiter Mann, der bald ebenfalls ins Dorf zieht.
 
Nur positiv spricht Randl anfangs von dieser Vielfalt, die sie auf pointierte Weise mit dem Verhalten der sie umgebenden Tiere vergleicht, die sich deutlich freier geben, als es der Mensch innerhalb der traditionellen Paarbeziehung tut. Erst als auch ihr Partner Philipp auf Gleichberechtigung pocht und eine zweite Frau an seiner Seite auftaucht – die Schauspielerin Bibiana Beglau – scheint auch Randl nicht mehr ganz begeistert von der Dreierbeziehung zu sein.
 
Doch auch wenn zwischendurch eine Paartherapeutin auftaucht und wenig fruchtvolle Ratschläge gibt: Ein Beziehungsfilm ist „Von Bienen und Blumen“ nur ansatzweise. Vielmehr eine leichtfüßige, angenehm selbstironische Dokumentation von den Träumen und Illusionen moderner Stadtbewohner. Gerade im betont wissenschaftlich anmutenden Voice Over-Kommentar hinterfragt Randl das Selbstverständnis der von ihr so genannten Projektmenschen, die mit hehren Ambitionen aufs Land ziehen und sich allzu gern als bessere Menschen gerieren. Doch was wäre, wenn die geplante Utopie vom heimeligen Leben auf dem Land verwirklicht werden würde? Müsste dann nicht eine neue her, die es zu erreichen gilt? Auf solche inneren Widersprüche des zunehmend weitere Kreise ziehenden Wunsches hipper Stadtmenschen, aufs Land zu ziehen, weißt Randl hin, doch das es so weit kommt, davon ist nicht auszugehen: Denn der Mensch, besonders der moderne Städter hegt und pflegt seine Neurosen noch lieber als die Beete in der Uckermark.
 
Michael Meyns