Schimpansen

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Gleichermaßen Naturdokumentation und familienfreundliches Disney-Kino, ist „Schimpansen“ ein zeitweise merkwürdiges Hybrid. Die extreme Vermenschlichung der dargestellten Schimpansen mutet bisweilen fragwürdig an, doch die spektakulären Bilder, die Alastair Fothergill und Mark Linfield eingefangen haben, lassen gern darüber hinwegsehen.

Webseite: www.disney.de/schimpansen

USA 2012 - Dokumentation
Regie, Buch: Alastair Fothergill und Mark Linfield
Länge: 78 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 9. Mai 2013

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Allein das man bei „Schimpansen“ von einer Geschichte sprechen kann, mutet zunächst merkwürdig an. Doch so konstruiert und manipuliert sich das Schicksal eines Schimpansen-Babys (das auf den Namen Oscar getauft wurde) auch anhört, in weiten Teilen hat es sich tatsächlich so zugetragen. Nachdem Oscars Mutter Isha von einem Leoparden getötet wurde, musste sich Oscar alleine durchschlagen, da ihn kein Mitglied seines Schimpansen-Clans aufnahm. Doch dann geschah etwas, dass selbst berühmte Affen-Forscher wie Jane Goodall fast nie beobachten können: Oscar wurde nicht von einem Bruder oder Cousin quasi adoptiert, wie es offenbar die Regel ist, sondern von dem Alpha-Schimpansen der Gruppe. Dieser Freddy genannte Schimpanse nahm den kleinen Oscar unter seine Fittiche und rettete ihm so das Leben.

Diese Aufnahmen bilden die Basis zu „Schimpansen“, einem Film von Alastair Fothergill und Mark Linfield, die ursprünglich für die BBC Naturdokumentationen wie „Unser Planet“ drehten und seit einigen Jahren für das Disneynature-Label arbeiten. Ganz wie in den 60er Jahren geht es Disney nicht einfach nur um spektakuläre Bilder von Tier- und Naturwelt, sondern um kindgerechte Erzählungen. Zu diesem Zweck wurde das erstaunliche Schicksal Oscars in eine Narration gepresst, die weitestgehend an der Realität entlang erzählt, aus Spannungsgründen aber noch eine feindliche Gruppe Schimpansen einführt, die von einem Scar genannten Tier angeführt wird. Wirklich nötig wäre das zwar nicht gewesen, aber erstaunlicherweise stört die Vermenschlichung der Tiere in diesem Fall nur wenig.

Dass mag nicht zuletzt daran liegen, dass sich die Schimpansen schlicht und ergreifend tatsächlich sehr menschlich verhalten, was angesichts einer 98prozentigen Übereinstimmung der DNA von Mensch und Schimpanse auch nicht überrascht. Dass über all den Bildern von essenden, jagenden, schlafenden Schimpansen eine Kommentarspur gelegt wurde, die mit oft seichtem Witzen den Niedlichkeitseffekt betont – geschenkt. Zu spektakulär sind die Bilder, die in jahrelanger Arbeit im Dschungel von Uganda, Tansania und der Elfenbeinküste eingefangen wurden. Schimpansen beim Ameisen fangen, bei der Jagd auf kleinere Affen, beim Schlafplatzbau hoch in den Bäumen und immer wieder beim Nüsse knacken. Das hat man in dieser optischen Qualität noch nicht gesehen.

Angereichert werden diese Bilder von Aufnahmen des nebelbedeckten Urwalds und einigen der aus BBC-Dokumentationen bekannten Zeitraffer und Zeitlupen-Szenen, die mit unfassbarer Schärfe Einblicke in die Natur geben. Auch wenn man einen vermenschlichenden Blick auf die Tierwelt ablehnt, lohnt sich „Schimpansen“ dennoch allein wegen seiner atemberaubenden Einblicke in das Leben dieser eben doch sehr menschlichen Tierart.

Michael Meyns