Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand

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Charles Dickens‘ „Eine Weihnachtsgeschichte“ hat in vielfacher Ausführung bereits die Leinwände dieser Welt bereist. Doch es ist mindestens genauso spannend, zu entdecken, wie der britische Schriftsteller einst auf die Idee zu seinem Meisterstück kam. In diesem Jahr kommt genau diese Geschichte in die Kinos - als melancholischer Weihnachtsfilm für Erwachsene.

Webseite: www.ksmfilm.de

OT: The Man Who Invented Christmas
IE/CAN 2017
Regie: Bharat Nalluri
Darsteller: Dan Stevens, Christopher Plummer, Patrik Joseph Byrnes, Morfydd Clark
Länge: 104 Minuten
Verleih: KSM Cinema / 24 Bilder
Kinostart: 22. November 2018

FILMKRITIK:

Mit 31 Jahren hat der Autor Charles Dickens (Dan Stevens) im Jahr 1843 alles erreicht. Das Feuilleton und die Leser lieben ihn für seinen bahnbrechenden Roman „Oliver Twist“, er wird durch die ganze Welt kutschiert und für sein Werk gefeiert. Drei Flops später sieht sich Dickens am gesellschaftlichen Abgrund. Er ist pleite und eine Schreibblockade verhindert, dass sich daran so schnell etwas ändert. Als er eines Tages durch Zufall einer Beerdigung beiwohnt, an dem kein einzelner Freund oder Verwandter des Verstorbenen anwesend ist, kommt er auf die Idee, ein Buch über Weihnachten als die Zeit des Miteinanders und des Zusammenrückens zu schreiben. Einen Protagonisten hat er in dem griesgrämigen Greis Ebenezer Scrootch (Christopher Plummer) schnell gefunden. Doch auf dem Weg zum Bestseller suchen ihn nicht bloß seine zunehmenden Geldsorgen und Streitereien mit seinem Vater heim, sondern auch längst zurückgelassen geglaubte Dämonen aus Charles‘ Kindheit…
 
Charles Dickens‘ „Eine Weihnachtsgeschichte“ gilt als eines der meistverkauften Bücher überhaupt und ist die meistadaptierte der britischen Autorenlegende. Unzählige Male bekamen wir „A Christmas Carol“, wie die weltberühmte Geschichte über einen verhärmten Mann, den an Heiligabend die drei Geister der Weihnacht heimsuchen, bereits zu sehen; ganz gleich ob als zeitlosen Klassiker („Das Leben ist schön“) oder als modernere Adaption, wahlweise mit den Muppets („Die Muppets Weihnachtsgeschichte“) oder Jim Carrey („Disneys Eine Weihnachtsgeschichte“). Der von dieser Geschichte ausgehende Zauber, der in seinem Entstehungsjahr die Spendensummen an Arme und Bedürftige in unermessliche Höhen schnellen ließ, ist bis heute ungebrochen. Dabei ist nicht weniger interessant, wie es überhaupt so weit kam. Regisseur Bharat Nalluri (vor allem durch die TV-Serie „Spooks“ und den dazugehörigen Film bekannt) karrte für seine Mission eines Blicks hinter die Dickens’schen Kulissen knapp zwei Monate vor Heiligabend im Jahr 1843 Hollywood-Großkaliber wie Dan Stevens („Die Schöne und das Biest“) und Christopher Plummer („Alles Geld der Welt“) heran und erweckt mit ihrem Spiel und vor malerisch-detailverliebter Kulisse das Leben einer außergewöhnlichen Persönlichkeit zum Leben.
 
„Charles Dickens: Der Mann, der Weihnachten erfand“ ist allerdings kein Biopic. Dafür arbeitet sich das Skript von Susan Coyne („Mozart in the Jungle“) zu explizit an nur einer einzigen Station aus Dickens‘ Leben ab: dem Schreiben von „Eine Weihnachtsgeschichte“. Darüber hinaus reichert Nalluri den nacherzählenden Teil, der auch die massiven Geldsorgen der Dickens-Familie, Charles schwieriges Verhältnis zu seinem Vater und seine traurige Kindheit nicht unberücksichtigt lässt, um zahlreiche Fantasy-Elemente an: In „Der Mann, der Weihnachten erfand“ tauchen nämlich auch all die Figuren auf, die am Ende in dem Roman selbst ihren Platz finden. Charles Dickens erscheinen die Geister der Weihnacht also selbst – und immer wieder spiegelt sich sein Leben mal mehr, mal weniger deutlich in dem, was er schlussendlich zu Papier brachte. Das geht zwar bisweilen zu Lasten der Akkuratesse und wer auch nur ein bisschen mit der Biographie Dickens‘ vertraut ist, der wird feststellen, dass zugunsten der Dramaturgie hier und da ein wenig gemogelt wurde, was den Realitätsbezug angeht. Doch letztlich ist „Der Mann, der Weihnachten erfand“ in erster Linie eben auch eine Weihnachtsgeschichte. Und gerade in diesem Kontext ist ein wenig Kitsch und Schönfärberei durchaus erlaubt. Zumal es Figuren nie in ein besseres Licht rückt, als genehm.
 
Auch die Hauptfigur selbst erhält hier ihre Ecken und Kanten. Dieser Charles Dickens konnte während seiner Arbeitsphasen ein ziemlicher Egomane sein, was der Film ebenso wenig ausspart, wie die Naivität gegenüber seinem Vater, die viel zu spät erst in Erkenntnis umschlägt. Die Darsteller spielen ihre Rollen allesamt so souverän, dass sie ihnen über die eine oder andere unglaubwürdige Holprigkeit (etwa die sehr gezwungen wirkende Versöhnung zwischen Charles und seinem Dad am Ende des Films) hinweghelfen. Ebenso wirken einzelne Szenenübergänge nicht immer ganz sauber, sodass man sich immer mal wieder fragt, wie eine Figur jetzt so schnell von A nach B gekommen sein mag. Das Setting erweist sich also als eher begrenzt, wirkt bisweilen sogar fast theaterhaft. Aber genau das verleiht dem Film auch seinen Charme – es ist eben ein klassisches Weihnachtsmärchen.
 
Antje Wessels