Das Pubertier

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Pures Vergnügen und Spaß für die ganze Familie bietet Leander Haußmanns neuer Komödienstreich. Das Drehbuch nach dem Buch von Jan Weiler ist ein einziges überdrehtes Gagfeuerwerk, dabei angenehm intelligent und sogar einfühlsam. Die Darsteller, angeführt von Jan Josef Liefers, sind in bester Spiellaune, und dazu geht es um ein Problem von beständig hoher Relevanz: um die Pubertät. Hier aus Sicht eines Vaters, der mit ansehen muss, wie aus seiner goldigen kleinen Prinzessin ein launisches Pubertier wird.

Webseite: www.constantin-film.de

Deutschland 2017
Regie: Leander Haußmann
Drehbuch: Leander Haußmann mit Jan Weiler nach dem gleichnamigen Buch von Jan Weiler
Darsteller: Jan Josef Liefers, Heike Makatsch, Harriet Herbig-Matten, Detlev Buck, Monika Gruber, Justus von Dohnányi, Luise Kinseher, Waldemar Kobus
Länge: 91 Minuten
Verleih: Neue Constantin
Kinostart: 6. Juli 2017

FILMKRITIK:

Gestern noch eine glückliche Familie – heute schon unter der Fuchtel des Pubertiers: Von jetzt auf gleich erkennt Hannes sein Töchterchen Carla nicht mehr wieder. Das vormals brave, niedliche Kindlein mutiert zur exzentrischen Drama-Queen, gebeutelt von Hormonen, Depressionen und Aggressionen. Aber so leicht lässt sich Hannes nicht unterkriegen: Auch auf der schweren Reise durch die Pubertät möchte er sein Kind begleiten. So nimmt sich der Schriftsteller eine Auszeit, bleibt zu Hause und kümmert sich als Hausmann um die Kinder, während seine Frau Sara arbeiten geht. Nun ist er zuständig für alles, und es gibt genügend Probleme, mit denen er sich herumschlagen muss: Pyjama-Partys, Jungs, angemessene Kleidung, das Aufstehen am Morgen, die Schule … Carlas kleiner Bruder versteht die Welt nicht mehr und sieht sich plötzlich allein gelassen, denn alles dreht sich um seine Schwester, die bald 14 wird. Allerdings geht es Hannes nebst Familie noch deutlich besser als Kumpel Holger. Der geht lieber als Kriegsreporter in den Geschützhagel von Afghanistan, als sich zu Hause von seinem pubertierenden Sohn drangsalieren zu lassen, während seine sehr, sehr nervöse Frau Miriam Trost im Alkohol sucht.
 
So witzig, so überdreht und herrlich albern – und dabei trotzdem intelligent und sogar einfühlsam – das soll ein deutscher Film sein? Tatsächlich! Jan Weiler und Leander Haußmann haben gemeinsam mit einer Schar exquisiter Darsteller ein Werk von herausragender Komik geschaffen. Dazu gibt es ein Ambiente, das Komödienfans vor Wonne aufjuchzen lässt: Hannes und seine Familie leben in einem entzückenden alten Holz-Bauernhaus bei München, das auf süffisanteste Weise eine friedliche Idylle vortäuscht. Jan Josef Liefers als Vater Hannes übertrifft sich selbst. Er ist lieb, witzig, verständnisvoll, gelegentlich vollkommen hilflos und dennoch optimistisch. Manchmal geht ihm die Fantasie durch, manchmal holt ihn die Realität auf schmerzlichste Weise ein. Das gilt auch für die Beziehungen zu den Nachbarn. Total abgedreht, aber großartig spielt Justus von Dohnányi einen weiteren pubertiergeschädigten Vater. Hannes kämpft sich durch, was ihm nur dank seiner Frau gelingt. Heike Makatsch als Sara ist die einzige vernünftige erwachsene Person in diesem Film, der bei aller Komik trotzdem die kunstvolle Balance zwischen ausgefuchster Situationskomik und seichten Witzen hält. Sie zeigt eine mehr als reife Leistung als humorvolle Mutter mit schafsähnlicher Geduld. Detlef Buck spielt den Holger als Mann, der kurz davor ist, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Sein Spruch: „Für mich ist Erziehung Kommunikation!“, führt sich selbst ad absurdum, sobald sein häusliches Pubertier auftaucht, eines von der ganz schlimmen Sorte: ein kapuzenverhüllter Sohn, der sich vorzugsweise mit Grunzen und Rülpsen verständigt. Monika Gruber spielt Holgers Frau Miriam mit fühlbarer Nervosität, eine schwer depressive Mutter am Rande des Zusammenbruchs. Die talentierte Harriet Herbig-Matten ist Carla, um die sich alles dreht, das Pubertier: burschikos, frech und clever, eine Rotzgöre, die im nächsten Moment zur Romantikerin wird oder scheinbar grundlos Tränen vergießt und wie ein kleines Mädchen Trost im Bett der Eltern sucht.
 
Ein größerer Teil des Witzes wächst hier nicht nur aus den durchdachten, daher umso plausibleren Charakteren und einer wirklich zwerchfellerschütternden Situationskomik, sondern auch aus der unterhaltsamen Verbindung von alten und neuen Pubertätsritualen: Die Pyjama-Party verläuft schweigend, nur die tippenden Finger auf den Smartphones sind zu hören. Und wenn zwei Teenies heute zum ersten Mal allein sind, dann fallen sie nicht übereinander her, sondern sie informieren sich erstmal heimlich via Handy, wie sie sich verhalten sollen. Das ist so bizarr und gleichzeitig so normal wie der Vater, der unterm Bett liegt, während sich die Pubertiere anbalzen. Auch in den Dialogen zeigt sich einmal mehr, wie gut Leander Haußmann inszenieren kann. Hier stimmt das Timing bis ins Letzte – das ist so kunstvoll und gleichzeitig so unprätentiös beiläufig gemacht … alles sehr, sehr schön!
 
So fügt sich ein Highlight zum anderen, bis schließlich ein Komödienkunstwerk entsteht, das richtig gutes, unterhaltsames Kino ist. Mit Lachgarantie für alle Altersgruppen. Wer sich hier nicht amüsiert, muss tot sein.
 
Gaby Sikorski