Das Wunder von Marseille

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Es ist eine wahre Geschichte, derer sich Autor und Regisseur Pierre François Martin-Laval angenommen hat. Er erzählt von dem aus Bangladesch stammenden Fahim, der eine unglaubliche Schachbegabung und nur ihr zu verdanken hat, dass er immer noch in Frankreich ist. In seiner Heimat droht ihm Gefahr, Asyl zu bekommen, ist dennoch ein schweres Unterfangen. Martin-Laval erzählt mit leichter Hand, stellt der Tragödie das Komische gegenüber und bezaubert den Zuschauer mit einem zu Herzen gehenden Film.

Webseite: www.tobis.de

Fahim
Frankreich 2019
Regie + Buch: Pierre François Martin-Laval
Darsteller: Assad Ahmed, Gérard Depardieu,Isabelle Nanty,Mizanur Rahaman
Länge: 107 Minuten
Verleih: Tobis Film
Kinostart: 7. November 2019

FILMKRITIK:

In Bangladesch ist das Leben des achtjährigen Fahims (Assad Ahmed) bedroht, weil sich sein Vater aktivistisch engagiert hat und der herrschenden Kaste ein Dorn im Auge ist. Darum packt er seinen Sohn und geht mit ihm nach Frankreich, wo sie um Asyl ansuchen. Beide sprechen kein Wort Französisch, Fahim lernt die Sprache aber schnell – und das noch mehr, als der mit einer unglaublichen Gabe für Schach gesegnete Junge in einen Schachkurs geht, der von Sylvain (Gerard Depardieu) geleitet wird. Sylvain erkennt das Talent des Jungen und fördert ihn, damit er an einer französischen Meisterschaft teilnehmen kann. Doch dafür müssen einige regulatorische Hürden genommen werden, während sich der Aufenthaltsstatus des Vaters und seines Jungen dramatisch ändert. „Spiel um dein Leben, Fahim“, könnte man sagen. So habender Schachtrainer Xavier Parmentier, nach dem Sylvain gestaltet ist, und die Autorin Sophie Le Callennec das Buch genannt, in dem sie Fahims Geschichte erzählt haben.
 
Der französische Autor und Regisseur Pierre François Martin-Laval war davon so angetan, dass er unbedingt einen Film daraus machen wollte. Nicht nur, weil das Flüchtlingsthema heute aktueller denn je ist, sondern auch, weil die Geschichte es wert ist, erzählt zu werden. Sympathien für Flüchtlinge zu wecken, die nicht selten vor Verfolgung, Folter und Tod fliehen, ist ein Nebenaspekt, da der Film es versteht, dem westlichen Zuschauer ein Gefühl dafür zu geben, was das für Menschen sind, die alles hinter sich zurücklassen und nach Europa kommen.
 
Martin-Laval erzählt mit leichter Hand. Er schreckt vor dem Drama der Geschichte nicht zurück, lädt es aber auch mit viel Humor auf – und er kann sich auf sein grandioses Ensemble verlassen. Gerard Depardieu überzeugt in einer griesgrämigen Rolle, wie sei ihm auf den stattlichen Leib geschrieben ist, während Assad Ahmed selbst aus Bangladesch stammt und erst während der Dreharbeiten richtig Französisch lernte. Das Zusammenspiel des ungleichen Duos ist herzerwärmend, der Film selbst lebt zudem aber auch von einer Authentizität, die sich durch die Besetzung Assad Ahmeds ergeben hat.
 
„Das Wunder von Marseille“ ist ein sympathischer Film mit Wohlfühl-Ende, auch wenn die politische Dimension dahinter etwas fragwürdig ist, bedeutet sie doch, dass manche Flüchtlinge lieber aufgenommen werden – nämlich solche, die Fähigkeiten mit sich bringen, die dem Prestige-Gewinn des Landes zuträglich sind. Das ist ein Aspekt, den der Film eher en passant abhandelt, dem man aber etwas mehr Fokus gewünscht hätte, zumal das Ende zwar happy ist, aber auch nicht frei von Zweifeln. Denn Fahim und sein Vater konnten ihre Familie nachholen und haben eine Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich, auf die Einbürgerung wartet die Familie aber schon viele Jahre.
 
Peter Osteried