Der junge Picasso

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Vielleicht dem wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts ist der neueste Film der Exhibition on Screen-Serie gewidmet, für die Regisseur Phil Grabsky diesmal einen ungewöhnlichen Ansatz wählt: „Der junge Picasso“ ist nicht wie sonst üblich um eine große Sonderausstellung gebaut, sondern erzählt in klassisch dokumentarischer Manier von seinem Sujet.

Webseite: exhibitiononscreen.com/german/

Young Picasso
Großbritannien 2018
Regie & Buch: Phil Grabsky
Länge: 90 Minuten
Verleih: Exhibition on Film
Kinostart: 7. April 2019

FILMKRITIK:

„Im Herbst 1907 zeigte ein junger spanischer Maler seinen Freunden in Paris ein neues Gemälde. Sie waren so entsetzt, dass er die Leinwand wieder einrollte und das Gemälde zehn Jahre unter Verschluss hielt.“ Mit diesem geschickten Vorgriff beginnt Phil Grabskys Dokumentation „Der junge Picasso“, die etliche Jahre früher einsetzt und erzählt, wie aus einem talentierten Maler das Genie seiner Zeit wurde, das seiner Zeit schließlich so weit voraus war, das selbst seine avantgardistischen Freunde geschockt waren.
 
Talent wurde dem 1881 in Malaga geborenem Pablo Picasso quasi in die Wiege gelegt, war sein Vater doch selbst freischaffender Maler und Kunstlehrer. Schon in jungen Jahren begann Picasso daher fast zwangsläufig zu malen, schuf klassische Genrebilder, Ansichten von Landschaften, den spanischen Traditionen wie dem Stierkampf, später vom Hafen in Barcelona. Die katalanische Metropole ist die zweite Station auf dem Weg des Künstlers, als Picasso 14 Jahre alt ist zieht die Familie hierhin, ins Zentrum der spanischen Kunst, doch bald zieht es Picasso weiter: Paris, das Mekka der europäischen, eigentlich der Weltkunst ist das zwangsläufige Ziel. Nach mehreren kürzeren Aufenthalten zieht er 1904 endgültig an die Seine, arbeitet unaufhaltsam, besucht große Museen und schummrige Vergnügungslokale und ist schon mit Anfang 20 ein bekannter Maler.
 
Diese Stationen auf dem Weg des jungen, aufstrebenden Künstlers erzählt Phil Grabsky auf klassische, konventionelle, dokumentarische Weise. Kuratoren und Leiter der fünf großen europäischen Picasso-Museen in Malaga, Barcelona und Paris kommen zu Wort und stellen einzelne Werke vor, die Picassos Entwicklung erahnen lassen. Ein Weg, der von klassischen Genrestücken über die blaue zur rosa Periode führte. Doch erst als Picasso im ethnologischen Museum von Paris die Masken so genannter primitiver Künstler aus den Kolonien Afrikas entdeckte, begann die Entwicklung, die schließlich zum eingangs erwähnten Gemälde führte.
 
Hunderte Vorstudien sind erhalten, mehr als zu praktisch jedem anderen Werk der Kunstgeschichte, durchaus passend, hat doch kaum ein Gemälde einen derartigen Stellenwerk wie „Les Demoiselles d’Avignon.“ Als Beginn der Modernen Kunst wird es oft bezeichnet, vielleicht auch ein wenig aus Marketinggründen des New Yorker Museum of Modern Art, wie Picassos Enkel Olivier Widmaier Picasso spitz bemerkt. Doch die Bedeutung des Gemäldes kann kaum überschätzt werden, die abstrakte Darstellung, die Komposition, das Sujet schockierten selbst Picassos Freunde Guillaume Apollinaire, Georges Braque oder Henri Matisse, selbst zwar alles andere als konventionelle Künstler, aber von dieser Avantgarde doch überfordert.
 
Viel Zeit verbringt Grabsky mit diesem Gemälde, das seit den 30er Jahren in New York hängt, nie verliehen wird und auch heute noch von vielen Betrachtern als wenig ästhetisch empfunden wird. Minutenlang ist es in „Der junge Picasso“ zu sehen, als Höhe- und Schlusspunkt der jungen Jahre Picassos, der mit 26 einen ersten Gipfel erklommen hatte. Wie er dahin kam zeichnet Grabsky auf zwar sehr konventionelle Weise nach, die als Einführung zum Frühwerk Picassos jedoch absolut sehenswert ist.
 
Michael Meyns