Dictatorship – Macho Made In Italy

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Um eine besondere Form der Diktatur geht es in Gustav Hofer und Luca Ragazzis Film „Dicktatorship“, nämlich um die Macht des Penis. Besonders in ihrer italienischen Heimat wird Machoverhalten und Chauvinismus noch groß geschrieben, doch der Wandel hat begonnen, wie die Regisseure auf leichte, ironisch-pointierte Weise zeigen.

Webseite: www.dejavu-film.de

Dokumentation
Italien 2018
Regie: Gustav Hofer & Luca Ragazzi
Buch: Simona Seveso, Gustav Hofer & Luca Ragazzi
Länge: 90 Minuten
Verleih: déjà-vu Film
Kinostart: 28. November 2019

FILMKRITIK:

Eine der ersten Assoziation, die beim Begriff Italien in den Sinn kommen ist wohl bei den meisten der Latin Lover, der charmante und immer auch leicht chauvinistische Verführer, wie er im Kino von Männern wie Marcello Mastroiani verkörpert wurde. Jahrzehnte, vielleicht auch Jahrhunderte lang wurde dieser Männertyp in der italienischen Gesellschaft bewundert, verkörpert durch Persönlichkeiten von Casanova, über Mussolini und Berlusconi, bis hin zu Rocco Siffredi.
 
Der legendäre italienische Pornostar zählt zu den vielen Interviewpartnern, die das Duo - im Beruf und im Privaten - Gustav Hofer und Luca Ragazzi für ihre Dokumentation vor die Kamera gebeten haben. „Frauen sind von Natur aus unterwürfig, sie wissen gar nicht, wie man dominant sein kann.“ sagt Siffredi mit der Erfahrung eines Mannes, der aus der Liebe zu Frauen einen Beruf gemacht hat. Erstaunlicherweise eine ähnliche Haltung, wie sie Vertreter einer Familienpartei propagieren: Hier stehen nur Männer auf der Bühne, während Frauen applaudierend im Publikum sitzen und sich freiwillig damit begnügen, die Männer zu unterstützen.
 
Doch warum ist das so? Ist es eine Kulturtechnik, die sich im Laufe der zehntausenden Jahre der menschlichen Evolution tief in unsere DNA eingebrannt hat? Experimente mit Affen legen das nah: Legt man Affen unterschiedliches Spielzeug zur Auswahl vor, wählen männliche Affen männlich konnotiertes Spielzeug wie Pistolen oder Laster, während die weiblichen Affen keine solche Auswahl treffen. Doch das Testosteronlevel ist nur ein Teil der Erklärung: Allein die Tatsache, dass die Welt seit Menschengedenken von meist weißen Männern dominiert wird, sorgt dafür, dass weiße Männer sich dazu berechtigt fühlen, zu dominieren und zwar nicht nur gegenüber Frauen, sondern auch gegenüber anderen Rassen und Menschen, die sexuell von der heterosexuellen Norm abweichen.
 
Das Hofer und Ragazzi ein schwules Paar sind, spielt in ihrem Film eine zwar untergeordnete, aber doch wichtige Rolle: Bei ihrer Suche nach Antworten kreisen ihre Überlegungen immer wieder auch um die Rollenmuster, die sie in ihrer Beziehung, aber auch in der Gesellschaft einnehmen. Auch sie sind als in Italien aufgewachsene Männer stark von den Konventionen geprägt, haben mit Silvio Berlusconi jahrzehntelang einen Politiker vor Augen gehabt, der gerne mit seiner Potenz prahlte und bei jeder Gelegenheit junge, schöne Frauen anmachte.
 
Das es nicht leicht ist, solche gesellschaftlichen Muster zu durchbrechen, liegt auf der Hand. Doch an allen Ecken und Enden Italiens gibt es Anzeichen, dass die Dinge langsam ins Rollen kommen: Im Parlament wird über sexistische Sprache diskutiert, in Schwangerschaftsgruppen findet man inzwischen auch Männer, die ihre Partnerin unterstützen und auch wenn der Vatikan es sicher nicht gerne sieht, haben Hofer und Ragazzi im Lauf der Dreharbeiten zu ihrer durch leichte Hand und feine Ironie überzeugenden Dokumentation geheiratet.
 
Michael Meyns