Die Misandristinnen

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Im neuen Film von Regie-Provokateur Bruce LaBruce geht es um eine terroristische Gruppe lesbischer Internats-Schülerinnen, die mit ihren Erzieherinnen in einer abgeschotteten Welt leben. Ihr Ziel: das Patriarchat aufzulösen und eine feministische Weltordnung zu installieren. Ohne Männer, die die Frauen ohnehin nur als Sexualobjekte sehen. „Die Misandristinnen“ ist eine wahnwitzige Mischung aus überdrehter Anarcho-Komödie, Coming-of-age-Drama und bitterböser Gesellschafts-Kritik. Trotz der sarkastischen Überzeichnung, vermittelt der Film seine Botschaften und Anliegen dennoch nachhaltig und glaubhaft.

Webseite: www.misandristinnen.de

Deutschland 2016
Regie & Drehbuch: Bruce LaBruce
Darsteller: Til Schindler, Susanne Sachse, Kembra Pfahler, Kita Updike, Olivia Kundisch
Länge: 91 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 02. November 2017

FILMKRITIK:

Der verletzte Volker (Til Schindler) irrt durch den Wald und trifft zufällig auf Isolde (Kita Updike) und Hilde (Olivia Kundisch). Die beiden jungen Frauen stammen aus einem nahe gelegenen Feministinnen-Internat, in dem Männer streng verboten sind. Dennoch helfen sie Volker und bringen ihn vorerst im Internats-Keller unter. Die dortigen Schülerinnen propagieren freie lesbische Liebe und wollen ein Ende des Patriacharts. Während die radikale Gruppe den Umsturz plant, wird es für Isolde und Hilde immer schwerer, ihr Geheimnis zu hüten. Denn die Männer hassende Anführerin Big Mother (Susanne Sachsse), würde Volkers Anwesenheit im Keller garantiert nicht dulden.

„Die Misandristinnen“ ist das neue Werk von Bruce LaBruce, der als einer der wichtigsten Filmemacher des New Queer Cinema gilt. Seit jeher ist der Kanadier, der in New York Filmtheorie studierte, bekannt für seine provokativen, subversiven Arbeiten, die gesellschaftliche Missstände anprangern. Mit seinen Filmen war er bereits auf den wichtigsten Filmfestivals vertreten, darunter in Toronto, Locarno oder auch Berlin. „Die Misandristinnen“ erlebte in diesem Jahr in der Berlinale-Sektion „Panorama“ seine Welturaufführung.

Nicht zufällig ist die Handlung von LaBruces anarchischem, unkonventionellem Film an Don Siegels 70er-Jahre Klassiker „Betrogen“ angelehnt. Damals war es Clint Eastwood, der als verletzter Soldat von einer Gruppe Frauen aufgenommen und gesund gepflegt wurde. In beiden Filmen, „Betrogen“ und „Die Misandristinnen“, durchbricht ein Mann eine hermetisch nach außen abgeschottete, geheimnisvolle Welt, in der nur Frauen existieren. Der große Unterschied ist jedoch, dass La Bruces Film von derart schrillen, radikalen (Frauen-)Figuren bevölkert wird, wie man sie in dieser Form auf der Leinwand selten gesehen hat.

Frauen, von LaBruce bewusst überzogen gezeichnet, die ihre radikal-feministischen Forderungen notfalls mit Gewalt durchsetzen wollen. Ein großer Reiz des Films besteht in der Unterschiedlichkeit dieser Frauen. Und der damit einhergehenden Dynamik, was deren Umgang miteinander betrifft. Acht Internats-Schülerinnen, die zwar im Verlangen nach homosexueller weiblicher Liebe vereint sind. Die sich aber dennoch durch unterschiedlichste Charaktereigenschaften und Persönlichkeiten, teils drastisch voneinander unterscheiden. Unterschiede, durch die es zwischen ihnen nicht selten zu Streit und Eifersüchteleien kommt. Im Mittelpunkt steht dabei häufig die unnahbare Schönheit Isolde, angenehm zurückhaltend von Kita Updike verkörpert.

Die wichtigsten Botschaften und Forderungen des Films sind u.a., der weiblichen Sexualität mehr Bedeutung zukommen zu lassen, die Alleinherrschaft der Männer als „bestimmendes Geschlecht“ aufzulösen und die Frau nicht mehr sexuell auszubeuten. Um seine zentralen Aussagen zu übermitteln, bedient sich LaBruce einiger äußerst drastischer Bilder und radikaler Szenen, gerade gegen Ende. Darunter: echte Aufnahmen einer (extrem blutigen) geschlechtsangleichenden OP. Oder Szenen aus einem Hardcore-Schwulen-Porno, den sich die Schülerinnen u.a. deshalb ansehen, um ihren Ekel vor männlicher, triebgesteuerter Sexualität, noch zu steigern.

Doch sind die oben erwähnten längst nicht die einzigen Inhalte, die „Die Misandristinnen“ thematisiert. So steht etwa eine der Bewohnerinnen, so viel kann hier schon mal verraten werden, zwischen den Geschlechtern. Mit dieser Enthüllung und den folgenden Ereignissen, rückt LaBruce quasi nebenbei auch noch das Thema der gesellschaftlichen Akzeptanz von Intersexualität, ins Zentrum seiner Betrachtung. Und ebenso die Problemfelder „Gruppenzwang“ und „Anpassungsdruck“, denen sich viele Transsexuelle ausgesetzt sehen. Dies ist nur ein Beispiel dafür, dass der Regisseur seine Thesen, die er kommunizieren will, mehr als ernst nimmt. Und auch mit Nachdruck zu vermitteln versteht, trotz aller Übertreibung und überspitzter Darstellung.

Björn Schneider