Die Schlösser aus Sand

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Die elegante kleine Komödie um ein Ex-Liebespaar erzählt leicht melancholisch angehaucht, aber glücklicherweise vollkommen kitschfrei von einem Wochenende, das Éléonore und Samuel dort verbringen, wo sie früher glücklich waren: in der Bretagne, am Meer, im Haus von Éléonores Vater. Olivier Jahan zeigt in seinem romantischen Kammerspiel eine literarisch cineastische Version von der Liebe, die beendet ist und doch fortbesteht. Sehr charmant!

Webseite: www.filmkinotext.de

Originaltitel: Les châteaux de sable
Frankreich 2015
Regie & Drehbuch: Olivier Jahan
Darsteller: Emma de Caunes, Yannick Renier, Jeanne Rosa, Alain Chamfort, Christine Brücher, Alain Chamfort
102 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 27. April 2017

FILMKRITIK:

Weil sie das Haus ihres kürzlich verstorbenen Vaters verkaufen muss, fährt Éléonore noch einmal an den Ort, wo sie am glücklichsten war: in die wilde Bretagne. An ihrer Seite ist ihr Ex Samuel, denn Éléonore kann und will dieses schwierige und irgendwie endgültige Wochenende nicht allein verbringen, zumal sich über die Immobilienmaklerin Claire einige Kaufinteressenten angesagt haben. Zu viele Erinnerungen hängen an diesem Haus, und schnell wird klar, dass Éléonore und Samuel ihre Trennung nicht so richtig verkraftet haben. Éléonore bereut, dass sie Samuel mit einem Musiker betrogen hat, und Samuel scheint ebenfalls zu bedauern, dass er sie wegen dieser Affäre verlassen hat. Da ist noch so viel Vertrautheit und Anziehungskraft zwischen den beiden ehemaligen Liebenden, dass Samuels neue Lebensgefährtin vollkommen zu Recht eifersüchtig ist. Irgendwie kommen beide nicht so richtig aus sich heraus. Das bemerkt auch Claire, die nebenbei dafür sorgt, dass die beiden sich zwischendurch mal ein bisschen entspannen, so dass beinahe so etwas wie Urlaubsstimmung aufkommt; aber eben nur beinahe. Éléonore und Samuel stecken fest in ihren Rollen, sie kreisen um sich selbst, anstatt dem anderen zuzuhören. Und dann taucht plötzlich eine geheimnisvolle Frau auf …
 
Mit feinem Gespür für realistische Stimmungen und überraschende Situationskomik inszeniert Olivier Jahan ein literarisches Kammerspiel, das fast ausschließlich im und am Haus von Éléonores verstorbenen Vater spielt, das von Trauer handelt, vom Abschiednehmen und vom Miteinander. Doch trotz des Settings hat die Inszenierung nichts Theaterhaftes. Mit sanfter Ironie, in der sich Eric Rohmer und Woody Allen zu begegnen scheinen, serviert Olivier Jahan allwissende Erzähler, die als Off-Stimmen im Hintergrund die Handlung kommentieren.

Doch wirkt diese Form hier alles andere als altmodisch – im Gegenteil! Trotz einer gewissen Vorhersehbarkeit bleibt die Handlung spannend, nicht zuletzt wegen einiger hübscher Zitate quer durch die Filmgeschichte und aufgrund der gut gezeichneten Charaktere. Emma de Caunes und Yannick Renier sind nicht nur ein schönes Paar, sondern es gelingt ihnen, sehr beiläufig eine glaubhafte Entwicklung zu zeigen: anfangs oberflächlich wirkend, gewinnen ihre Figuren immer mehr an Tiefe und werden eigentlich erst dadurch so richtig sympathisch. Denn noch immer liegt ein Zauber über dem Ex-Paar – der Zauber einer Liebe, die einmal da war, die in vertraulichen Gesten, kurzen Blicken und versehentlichen Berührungen sichtbar wird.

Éléonore ist in Trauer, der Tod des Vaters kam plötzlich, doch sie will stark und tapfer sein. Manchmal scheint es ihr, als sei der Vater bei ihr. Sie spricht mit ihm, und das tröstet sie, auch wenn sie weiß, dass er nicht real ist, sondern eine Erfindung ihres Geistes, um den Verlust besser zu ertragen. Ähnlich ergeht es ihr mit Samuel. Auch er gehört nicht mehr zu ihrem Leben, irgendwie hat sie es geschafft, ihn zum Mitkommen zu bewegen, und so ist er bei ihr, ohne mit ihr zusammen zu sein, und ohne dass man zunächst erfährt, ob beide das überhaupt wollen oder könnten. Doch er ist im Gegensatz zum Vater real und ein ziemlich lebendiger Beweis für ihr Versagen. Zu groß waren die Verletzungen, die Samuel ertragen musste, zu stark war die Demütigung für Éléonore, dass er sich so schnell mit einer anderen trösten konnte. Und nun können sie nicht ohne einander und nicht miteinander. Und das ist dann sehr romantisch.
 
Gaby Sikorski