Ein Gauner & Gentleman

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Forrest Tucker verbrachte den Großteil seines Lebens hinter Gittern. Der Grund: Bei ihm handelt es sich um einen berühmt-berüchtigten Bankräuber, der in seiner zweifelhaften Karriere zu allem Überfluss ganze 18 Mal aus dem Gefängnis ausbrechen konnte. Regisseur David Lowery erzählt in seiner Gangsterkomödie „Ein Gauner & Gentleman“ nun aus dem Leben des vermutlich einzigen Gentleman-Gangsters der Welt.

Webseite: dcmworld.com

OT: The Old Man & The Gun
USA 2018
Regie: David Lowery
Darsteller: Robert Redford, Sissy Spacek, Casey Affleck, Danny Glover, Tom Waits, Tika Sumpter
Länge: 93 Minuten
Verleih: DCM Filmdistribution
Kinostart: 28. März 2019

FILMKRITIK:

Der in die Jahre gekommene Bankräuber Forrest Tucker (Robert Redford) blickt auf eine bemerkenswerte Karriere als Ganove zurück: In der Vergangenheit war es ihm nicht nur zigfach gelungen, Banken um ihr Geld zu erleichtern. Auf die anschließenden Verhaftungen und Urteile ließ er über ein Dutzend Gefängnisausbrüche folgen. Sogar von der sagenumwobenen Insel Alcatraz gelang ihm die Flucht. Mittlerweile lebt er in einer Seniorenwohnanlage und wollte eigentlich mit seiner Bankräuberkarriere abschließen, doch noch immer juckt es ihm in den Fingern. Er stellt eine Gang aus Rentnern zusammen, mit denen er fortan eine Bank nach der anderen überfällt und dabei eine Menge Kohle macht. Als er dann auch noch die sympathische Pferdeliebhaberin Jewel (Sissy Spacek) kennenlernt, scheint sein Ruhestandsleben gesichert. Doch der ehrgeizige Detective John Hunt (Casey Affleck) ist fest entschlossen, der Ganovenbande das Handwerk zu legen…
 
Die Geschichte vom 18 Mal aus dem Gefängnis fliehenden Verbrecher klingt unglaubwürdig, bis man am Ende von „Ein Gauner & Gentleman“ erfährt, dass nichts davon den wahren Ereignissen um Forrest Tuckers unkonventionelle Lebensgeschichte hinzugedichtet wurde. Tucker gab es wirklich. Er lebte von 1920 bis 2004 und konnte zum Zeitpunkt seines Todes eine bemerkenswerte Lebensgeschichte vorweisen. Dabei kommt die ständige Bezeichnung „Ganove“, ein mittlerweile eher veraltetes Wort für Gangster, nicht von ungefähr, genauso wenig wie die im Filmtitel zusätzlich genannte Beschreibung des Gentlemans. „Ein Gauner & Gentleman“ erzählt nämlich nur in zweiter Instanz von den Banküberfällen an sich. Es geht vor allem um die dazu im direkten Kontrast stehende Attitüde der Räubergang, die es sich vor ihren Eskapaden zum Auftrag machte, niemals Gewalt anzuwenden oder psychischen Druck auf ihre Opfer auszuüben. Der Verweis auf die Waffe, ein Blick auf die Kasse und der höfliche Hinweis, dass den Angestellten nichts passieren würde, reichten Tucker und seinen Kumpanen aus, um an ihr Ziel zu gelangen. Das machte es den von einem solchen Verhalten überraschten Geschädigten im Nachhinein auch so schwer, konkrete Angaben zu den Tathergängen zu machen, sodass die Bande eine lange Zeit einfach nicht gefasst werden konnte.
 
„Ein Gauner & Gentleman“ balanciert allein schon durch dieses widersprüchliche Verhalten des im Mittelpunkt stehenden Antihelden genüsslich auf der Grenze zwischen Drama und Komödie. Die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, mit der Tucker hier sein routiniertes Handwerk vollzieht, fördern nicht selten (im Anbetracht der Umstände) komische Situationen zutage, doch natürlich bleibt der Film letztlich eben doch das Porträt eines Gangsters. Die parallel zu den Überfällen stattfindende Ermittlerarbeit, in denen sich der solide von Casey Affleck („Manchester By The Sea“) verkörperte Detective John Hunt verbissen auf die Spur des Trios begibt, nimmt im Film nicht weniger Raum ein. Das ist wichtig, um Forrest Tuckers Taten nicht zu verklären und immer wieder deutlich zu machen, was und wem man hier eigentlich gerade zusieht. Ein wenig unter dem Radar läuft dagegen die aufkeimende Beziehung zwischen Tucker und Jewel, die zeitweise den Eindruck erweckt, dem rüstigen Rentner eher alibimäßig noch ein wenig Hintergrund zuzugestehen, um ihn nicht ausschließlich auf sein Dasein als Bankräuber zu reduzieren. Dafür macht es Spaß, „Carrie“-Star Sissy Spacek endlich mal wieder auf der Leinwand zu sehen.
 
Wenn man den Äußerungen Robert Redfords („Der Pferdeflüsterer“) Glauben schenkt, sieht man ihn übrigens hier das letzte Mal als Darsteller in einem Film, was die Hollywood Foreign Press übrigens vor einigen Wochen direkt mit einer Golden-Globe-Nominierung als „Bester Hauptdarsteller“ zu würdigen wusste. Diese Ankündigung ist Fluch und Segen zugleich: Sollte sich Redford tatsächlich aus der Schauspielerei zurückziehen, wäre „Ein Gauner & Gentleman“ die optimale Wahl, um von der Weltbühne abzutreten, denn bisweilen fühlt sich der Film auch ein wenig so an, als hätte man es hier mit einem „Best of Redford“ zu tun, in dem immer wieder auf frühere Stationen in der Karriere des Hollywoodstars Bezug genommen wird. Gleichzeitig war der gebürtige Kalifornier lange nicht mehr so stark. Es wäre schon schade, ihn nie wieder zu sehen.
 
Antje Wessels