Ganz große Oper

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„Ganz große Oper“ ist ganz großes dokumentarisches Kino. Regisseur Toni Schmid begibt sich hinter die Kulissen der renommierten Bayerischen Staatsoper. Er sprach mit Intendanten, Tänzern, Sängern, Maskenbildnern und Kulissenbauern. Zudem begleitete er die Proben zu drei Opern. So erhält man einen facettenreichen, umfassenden Eindruck vom Innenleben des Opernhauses. Der Film veranschaulicht, wie Oper funktioniert und wie sie gemacht wird – mit Hilfe eleganter Schnitte, geschickter Montage und dank eines kundigen Regisseurs, der die behandelte Materie „Oper“ so gut kennt wie nur wenige.

Webseite: www.ganzgrosseoper-derfilm.de

Deutschland 2017
Regie: Toni Schmid
Drehbuch: Toni Schmid
Darsteller: Jonas Kaufmann, Anja Harteros, Kirill Petrenko,
 Ivor Bolton, Zubin Mehta
Länge: 92 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 1. Juni 2017

FILMKRITIK:

Toni Schmid wagt in seiner Dokumentation einen Blick ins Innenleben eines der bedeutendsten Opernhäuser der Welt: die bayerische Staatsoper in München. Sie wurde 2014 als Opernhaus des Jahres ausgezeichnet. Dies nahm Schmid, Ministerialdirigent des bayerischen Kultusministeriums, zum Anlass, seinen Film zu drehen. Und um damit erstmals derart ausgiebig hinter die Kulissen des Traditionshauses zu blicken. Er sprach dafür u.a. mit Sängern, Schauspielern, Musikern sowie mit Menschen, die im Verborgenen an den großen Produktionen mitwirken. Sie alle eint das Ziel, den Zuschauern Abend für Abend unvergessliche Erlebnisse zu bescheren.

Die bayerische Staatsoper  ist nicht nur eine der ältesten Opern der Welt, sondern auch eine der bekanntesten. Auch und gerade für Uraufführungen. So wurden z.B. etliche Opern von Richard Wagner oder auch Richard Strauss dort uraufgeführt. Darunter populäre Meisterwerke wie etwa “Tristan und Isolde”, „Capriccio“ oder “Die Walküre“. „Ganz große Oper“ ermöglicht es dem Zuschauer auch, bei der Inszenierung dreier Opern hautnah dabei zu sein: Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg”, „Les Indes galantes” von Jean-Philippe Rameaus, und Verdis „Un ballo in maschera“.

Toni Schmid ist einer, der sich mit der hohen Kunst und dem Treiben innerhalb eines Opernhauses sehr gut auskennt. Das merkt man nahezu jeder Einstellung und jedem Schnitt an. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, alles greift perfekt ineinander. Auch die Interviewpassagen. Die Protagonisten äußern sich jederzeit offen, aufrichtig und ohne falsche Scheu. Auch die Intendanten, der frühere sowie der aktuelle. Denn: man kennt sich. Schmid kennt die wichtigsten Vertreter der Branche persönlich und hat ein entscheidendes Wörtchen mitzureden, wenn es darum geht, in Bayern einen neuen Museumsdirektor oder Intendanten zu bestimmen. Als Ministerialdirigent ist er quasi so etwas wie der Herr über den kompletten Kulturbetrieb im Freistaat.
Seine langjährige Erfahrung und die Kenntnis darüber, was für den Zuschauer (ob Opernkenner oder Neuling auf dem Gebiet) von Interesse ist, sind dabei ein Hauptgewinn für den Film. Natürlich könnte einer wie Schmid nur schwerlich ein kritisches Werk über die Staatsoper oder ein anderes bayerisches Opernhaus, drehen. Dafür fehlt es ihm an Objektivität und Neutralität. Schmid war schließlich u.a. auch mit dafür verantwortlich, den aktuellen Intendanten der Staatsoper ins Amt zu bringen. Aber für eine sachliche, informative Dokumentation, wie es „Ganz große Oper“ geworden ist, ist er der perfekte Mann.

Denn so erhält der Zuschauer wahrlich erhellende, ungemein spannende Einblicke in jegliche Abläufe, Bereiche und Abteilungen des berühmten Opernhauses. Und das in einer Ausführlichkeit, wie es sie bis dato in filmischer Form noch nicht gab. Es entstehen einmalige Aufnahmen, die die Beteiligten vor, hinter und auf der Bühne zeigen. Die Berühmten wie auch die, die im stillen Kämmerlein an den neuesten Inszenierungen mitwirken. So kann man in „Ganz große Oper“ u.a. den Startenor Jonas Kaufmann oder auch Sopranistin Anja Harteros bei den Proben und der späteren Aufführung beobachten, aber auch bei intimen Momenten hinter der Bühne, beim Schminken, Ankleiden etc.

Der Kinobesucher wird Zeuge der kraftraubenden, stets unter allerhöchster Konzentration ablaufenden Ballettproben, schaut im Malersaal und der Kostümabteilung vorbei oder stattet gemeinsam mit Schmid den Kulissenbauern, Schneidern und Schuhmachern einen Besuch ab. Wichtig ist hier, dass sich Schmid eben nicht nur auf die großen, bekannten Gesichter und Künstler konzentriert, sondern allen Mitarbeitern Raum lässt. In erster Linie drei Dinge fallen dabei auf: was für ein riesiger Betrieb ein solches Opernhaus ist, dass jedes Zahnrad ins andere greifen muss, um einen perfekten Ablauf zu gewährleisten. Und schließlich, wie ungemein professionell und leidenschaftlich alle Mitwirkenden hier zu Werke gehen. Oper ist für sie kein Beruf, sondern Berufung.

Björn Schneider