Guardians of the Earth – Als wir entschieden die Erde zu retten

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Ein Film über die Weltklimakonferenz 2015 in Paris - was für ein ambitioniertes Vorhaben! Doch Filip Antoni Malinowski ist ein wirklich spannender Film gelungen, den er wie einen Thriller erzählt: Nur 11 Tage bleiben den Vertretern aus 195 Ländern der Erde, um zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit eine gemeinsame Erklärung zur Begrenzung der globalen Erwärmung zu verabschieden. Sicherlich ist dies keine leichte Kost, der Film erfordert viel Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, sich mit dem Thema Umweltpolitik auseinanderzusetzen, wobei die Betonung auf „Politik“ liegt. Doch der Blick auf die Konferenz und hinter ihre Kulissen, auf die Mitstreiterinnen und Mitstreiter, ob prominent oder nicht, entpuppt sich als so interessant und dramatisch, dass die Dokumentation gerade auch junge Menschen ansprechen könnte. Das Thema geht allerdings alle an: die Rettung der Erde.

Webseite: www.guardians.wfilm.de

Dokumentarfilm, OmU
Deutsch, Englisch, Luxemburgisch, Französisch
Österreich/Deutschland 2017
Regie und Buch: Filip Antoni Malinowski
86 Minuten
Verleih: W-film
Kinostart: 31.05.2018

FILMKRITIK:

Wer sich noch nie aktiv mit praktischer Politik, mit Diplomatie und Verhandlungsführung außerhalb von Familie, Job und Kleingartenverein beschäftigt hat, ist regelmäßig überrascht davon, unter welchen Umständen und mit welcher beharrlichen Energie Entscheidungen getroffen werden, die möglicherweise nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Länder oder die gesamte Menschheit betreffen. Filip Antoni Malinowskis Dokumentarfilm über den Weltklimagipfel 2015 ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, mit wieviel Ernsthaftigkeit und in welch kleinen Schritten Verhandlungsführende aus aller Welt vorgehen und wie sie miteinander reden, um zu kooperieren und zu einer Einigung zu kommen. Ihr gemeinsames Ziel ist die Unterzeichnung eines Weltklimaabkommens, mit dem alle Nationen gemeinsam den Klimawandel bekämpfen wollen.

Als Hauptakteur des Films agiert Saleemul Huq, ein Umweltwissenschaftler, der aus Bangladesch stammt und damit aus einem der Länder, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Er agiert als Sprecher der LDC’s, der „Least Developed Countries“: also der am wenigsten entwickelten Länder. Dieser freundliche Herr kann wunderbar Zusammenhänge erklären und informiert nicht nur die Neulinge in seinem Team über ungeschriebene Regeln und Gesetze der Konferenz, sondern auch das Kinopublikum: Diplomatie für Anfänger und Fortgeschrittene, bevor es richtig losgeht. Eine wichtige Rolle im Film spielen außerdem Christina Figueras, die Generalsekretärin des UN-Klimasekretariats, sowie der Präsident der Konferenz, der französische Außenminister Laurent Fabius.

Der Film führt ins Plenum, in die Verhandlungsräume und an die Counter der einzelnen Stände, aber auch hinter die Kulissen der Konferenz: zu den Sicherheitskräften, den Sanitätern und zu den zahllosen Helferinnen und Helfern. Während vor den Toren der Konferenz Umweltaktivisten demonstrieren, geht es drinnen diplomatischer zu, aber nicht weniger leidenschaftlich, und manchmal wird es regelrecht emotional. An einer Stelle kämpft sogar die besonnene Christiana Figueres um ihre Fassung. Sie könne nicht verstehen, warum manche Leute auf der Konferenz so herzlos sprechen können, obwohl es um echtes menschliches Leid geht, sagt sie. Je weiter die Konferenz fortschreitet, je mehr unterschiedliche Positionen vertreten werden, desto knapper wird die Zeit und desto unwahrscheinlicher wird eine Einigung. Auch Saleemul Huq scheint irgendwann seinen Optimismus zu verlieren. Er hadert vor allem damit, dass es nur nach außen hin für manche Staaten um die Rettung der Umwelt ginge und um den Klimawandel, die reichen Staaten hätten vor allem Wirtschaftsinteressen, meint er und hat damit vermutlich recht. Viel Geduld ist angesagt, wenn sich Arbeitskreise und Ausschüsse treffen, um Textänderungen am Vertragsentwurf zu erarbeiten, der schon jahrelang vorbereitet wurde und nun nochmals und immer wieder in einzelnen Passagen und manchmal nur in scheinbar unwichtigen Formulierungen oder einzelnen Wörtern geändert wird. Da streiten die Delegierten schon mal um ein „könnte“ oder „sollte“. Doch die Zeit vergeht, ein Ergebnis soll her, und zwar möglichst ein positives, damit sich die jahrelange Vorbereitungsarbeit und die große Konferenz für alle Beteiligten gelohnt hat. Die erdölproduzierenden Länder, allen voran die arabischen Staaten unter Führung von Saudi-Arabien, tun sich besonders schwer mit der Kooperation. Sie blockieren die Verhandlungen, denn sie profitieren am meisten vom Status quo und haben kein Interesse, ihn zu ändern. Doch eine gemeinsame Erklärung ist nur dann möglich, wenn sämtliche 195 Staaten unterzeichnen. „Das Warten ist ein wichtiger Teil der Konferenz“, sagt Saleemul Huq. Der Weg bis zum glücklichen Ende ist lang und steinig, umso größer ist die Freude am Ende.

Filip Antoni Malinowski sorgt mit verschiedenen Kunstgriffen dafür, dass sich die Spannung im Laufe des Films immer mehr steigert. Inserts zeigen, wie viel Zeit noch für eine Einigung bleibt. Delegationen schreiten, von Sicherheitspersonal bewacht und von Presseleuten begleitet, durch endlose Gänge, manchmal in Zeitlupe, wodurch die Zähigkeit der Verhandlungen auch bildhaft deutlich wird. Meist bleibt der Film am Verhandlungsort in Le Bourgés. Abgeschottet von der Außenwelt und unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen treffen sich hier die mehr als 20.000 Delegierten. Der leere Plenarsaal, der Blick in die Gänge und zu den gesponsorten Ständen der für weltweite Umweltschäden mitverantwortlichen Großunternehmen, die Demos draußen … Malinowski zeigt auch, was sich neben den Verhandlungen abspielt. Dass Malinowski und sein Team überhaupt hier drehen durften, ist ein kleines Wunder und zeugt von einer Hartnäckigkeit, die vermutlich mit der eines Saleemul Huq zu vergleichen ist.

Den Film begleiten die minimalistischen Piano- und Elektroklänge von Nils Frahm, die in kleinen Dissonanzen daran erinnern, dass es um etwas wirklich Wichtiges geht. Dabei liegt ein leiser Optimismus über dem Film. So wirken die am Anfang und am Ende vorgestellten Zitate von Donald Trump, die von seiner Ablehnung der Weltklimakonferenz künden – mit den bekannten Folgen – umso störender. Doch letztlich bleibt ein positiver Eindruck, ein Funken Hoffnung. Denn die Menschen, die dafür gesorgt haben, dass es zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte eine weltweite Einigung gegeben hat, werden weitermachen.

Gaby Sikorski