Hotel Auschwitz

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Eine Satire über die Abgründe des Theaterbetriebes, ein Film über den Umgang mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte, ein selbstreflexives Drama über den eigenen Entstehungsprozess. All das ist Cornelius Schwalms „Hotel Auschwitz“, die erste filmische Regiearbeit des Schauspielers und Theaterregisseur, die ihre vielen Versprechen nicht immer einlöst, aber stets ambitioniert und ungewöhnlich ist.

Webseite: www.dejavu-film.de

Deutschland 2018
Regie & Buch: Cornelius Schwalm
Darsteller: Franziska Petri, Cornelius Schwalm, Patrick von Blume, Katharina Bellena, Oli Bigalke
Länge: 75 Minuten
Verleih: deja-vu Film
Kinostart: 17. Januar 2019

FILMKRITIK:

Martin (Cornelius Schwalm) ist Regisseur an einem Berliner Theater. Zusammen mit seinem Ensemble probt er Szenen von Peter Weiss Stück „Die Ermittlung“, ein 1965 uraufgeführtes, dokumentarisches Theaterstück, dass den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess beschreibt. Zwecks Recherche plant Martin zusammen mit einigen Ensemblemitgliedern nach Polen zu reisen, um in Auschwitz selbst Szenen für die Inszenierung zu filmen, aber auch vor Ort einen persönlichen Eindruck vom Ort des Grauens zu gewinnen.
 
Das wichtigste Ziel der Reise scheint für Martin jedoch zu sein, seiner Hauptdarstellerin Sabine (Franziska Petri) näherzukommen, die eigentlich weder Zeit noch Lust auf die Reise hat, sich jedoch von ihrem Regisseur – freundlich gesagt – überreden lässt, mitzufahren. Ebenfalls dabei ist ihr Kollege Holger (Patrick von Blume), der schwer in Sabine verliebt ist, vor allem jedoch Interesse daran hat, weiter mit Martin zusammenzuarbeiten. Dieser steht nämlich kurz vor dem Wechsel von Berlin nach Hamburg, was nicht nur für ihn eine große Chance ist, sondern auch für die Schauspieler, die er mitnimmt.
 
Zusammen mit dem Regieassistent Matti (Jörg Kleemann) und dem Fahrer Bronski (Oliver Bigalke) macht sich das Quintett auf den Weg nach Auschwitz, versucht mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen, sich mit Auschwitz auseinanderzusetzen, am Stück zu arbeiten, doch in erster Linie bestimmen die persönlichen Befindlichkeiten des Theatertrupps die Reise. Schließlich stößt auch noch die jüdisch-polnische Schauspielerin Gośka (Katharina Bellena) dazu, die es leid ist, stets in der Opferrolle zu agieren.
 
In Amerika und Frankreich sind Filme, die hinter die Kulissen einer Film- oder Theaterproduktion blicken ein eigenes Genre, in Deutschland dagegen kaum existent. Dabei bietet die Möglichkeit, Bühne und Realität, Fiktion und Leben zu verbinden, sich spiegeln zu lassen, viele Möglichkeiten, die Cornelius Schwalm in seinem Langfilmdebüt oft auch anreißt. Mit ganzem Körpereinsatz inszeniert sich Schwalm selbst in der Rolle eines reichlich unsympathischen, von seinem Talent ebenso wie von seiner Macht überzeugten Theaterregisseurs, der unverhohlen übergriffig wird, wenn es ihm beliebt. Gerade im Zuge der #metoo-Diskussion wirkt „Hotel Auschwitz“ da wie eine allzu realistische Abbildung des Theaterbetriebs, in dem Regisseure ihre Position ausnutzen und fürs Inszenieren notwendige körperliche Nähe auch schnell mal in unerwünschtes betatschen übergeht. Ambivalent bleibt dabei die Rolle der Schauspielerin, hier Franziska Petri als Sabine, die sich sowohl mit Holger als auch Martin einlässt, wann aus echten Gefühlen, wann aus Druck, wann aus Berechnung ist schwer festzumachen, vielleicht bewusst. Vielleicht, weil in vielen Momenten von „Hotel Auschwitz“ Schwalms Absichten unklar bleiben, Ideen eher angerissen, als zu Ende gebracht und gedacht werden. Man merkt dem Endergebnis immer wieder den improvisierten Charakter an, das lose Gerüst, an dem entlang sich die Szenen reihen, mal mehr, mal weniger zwingend. Ein kleines, rohes Experiment ist „Hotel Auschwitz“ am Ende, keine wirklich komplexe Auseinandersetzung mit seinen vielen Themen, sondern vor allem ein assoziatives Spiel mit Motiven, das vor allem von der Spielfreude seiner Akteure lebt.
 
Michael Meyns