Immenhof

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Der Pferdefilm hat Hochsaison. Noch lange vor seiner durch „Ostwind“ und Co. eingeläuteten Renaissance begeisterten die Abenteuer von Dick, Dalli und ihren Ponys Millionen. Entstaubt und auf Leinwandformat präsentiert Regisseurin Sharon von Wietersheim nun neue Abenteuer auf dem „Immenhof“.

Webseite: www.immenhof-derfilm.de

Deutschland 2019
Regie: Sharon von Wietersheim
Schauspieler: Valerie Huber, Wotan Wilke Möhring, Heiner Lauterbach, Laura Berlin
Länge: 105 Minuten
Verleih: Concorde Filmverleih
Kinostart: 17. Januar 2019

FILMKRITIK:

Seit dem Tod ihres Vaters leben die Schwestern Lou (Leia Holtwick), Emmie (Ella Päffgen) und Charly (Laura Berlin) auf dem Reiterhof ihrer Eltern. Vor allem Lou leidet unter dem Verlust und verliert sich immer mehr in die Reiterei. Da trifft sie der Schock umso mehr, als nicht nur das Jugendamt seinen Besuch ankündigt, sondern auch Stress mit dem benachbarten Gestüt von Jochen Malinckroth (Heiner Lauterbach) droht, der es auf eines der edelsten Pferde des Immenhofs abgesehen hat. Als er dieses nicht bekommt, macht er kurzen Prozess und kündigt einen alten Kredit. Eine Lösung muss her: Und da Lou ein außergewöhnliches Händchen für Pferde hat, entwickelt sie einen Plan, mit dem der kurz vor dem Bankrott stehende Immenhof vielleicht doch noch zu retten ist…
 
Das Familienfilm-Subgenre „Pferdeabenteuer“ wurde durch den großen Erfolg des ersten „Ostwind“-Films von Katja von Garnier 2013 quasi über Nacht aus der Direct-to-DVD-Ecke und dem Nachmittagsprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zurück auf die große Leinwand katapultiert. Es folgten Realverfilmungen der „Bibi & Tina“-Reihe, der „Wendy“-Comics und die unkonventionell-ehrliche Rennsport-Romanze „Rock My Heart“, während „Ostwind“ nebenbei schon im kommenden Jahr in die vierte Runde gehen wird. „Auf der Suche nach dem G.“-Regisseurin Sharon von Wietersheim hätte sich also keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um den Mitte der Fünfzigerjahre ins Leben gerufenen „Immenhof“-Filmen einen neuen, zeitgemäßen Anstrich zu verpassen. Ihr „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ ist Pferderomantik auf Augenhöhe mit ihrer Zielgruppe und einem modernen Flair, das zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt wirkt.
 
Leia Holtwick kommt ursprünglich aus der Modelwelt. Das merkt man: Die Newcomerin weiß, wie sie mit ihrem Körper umzugehen hat, um verschiedene Emotionen zum Ausdruck zu bringen, was ihr im Dialog (noch) nicht immer hundertprozentig gelingt. Das macht aber nichts, denn was in „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ vor allem funktioniert, ist die Interaktion zwischen Mensch und Pferd. Kleine und schon etwas größere LiebhaberInnen der edlen Vierbeiner kommen hier also voll auf ihre Kosten, denn hier stehen tatsächlich die Pferde im Mittelpunkt. Dass alles um sie herum wirkt wie die Blaupause des Pferde-Mädchen-Films, mag Kenner des Genres zwar ein wenig langweilen, doch gerade bei Produktionen, die sich bevorzugt an eine jüngere Zielgruppe richten, muss auch immer bedacht werden, dass „Immenhof“ möglicherweise der aller erste Film dieser Couleur ist, den die Zuschauer zu sehen bekommen. Und zum Einstieg in die Welt des behuften Leinwandabenteuers gab es in der Vergangenheit deutlich leidenschaftslosere Produktionen als der sehr professionell inszenierte „Immenhof“.
 
Die hochwertige Kameraarbeit und das professionelle Sounddesign verhelfen „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ zu Leinwandausmaße, während das Skript vorwiegend Stationen abhandelt, die man in dem Genre gewohnt ist. Zwischen zwei benachbarten Reiterhöfen – der eine urig, der andere top-modern – gibt es Streit, ein traumatisiertes Pferd muss wieder Vertrauen zum Menschen fassen und das Jugendamt muss sich vergewissern, dass die Geschwister allein zurechtkommen. Das ist alles durchaus vorhersehbar, aber Sharon von Wietersheim inszeniert es mit einer Aufrichtigkeit, dass es nicht verwundert, dass sie für Nebenrollen darstellerische Hochkaräter wie Heiner Lauterbach und Wotan Wilke Möhring für sich gewinnen konnte, die „Immenhof – Das Abenteuer eines Sommers“ mit gewohnter Souveränität veredeln. Nach dem Kinobesuch wollen sicher nicht nur die Kleinen Urlaub auf dem Reiterhof machen.
 
Antje Wessels