Kaffee mit Milch und Stress

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Ein alter Griesgram trauert den alten Zeiten nach. Als Männer das Haus der Familie noch selbst bauten und die Frauen die Kinder erzogen. Dementsprechend groß sind die Konflikte, als der Mann zur Familie seines Sohnes zieht. Und mit den Errungenschaften der modernen Welt konfrontiert wird. Die bissige, überzeugend gespielte Komödie „Kaffee mit Milch und Stress“ arbeitet die Kluft zwischen Alt und Jung mittels eines derben, bewusst überzogenen Humors heraus. Und vermittelt unterschwellig dennoch eine wichtige Botschaft: die gewaltige Anpassungsleistung, die heute von den „Älteren“ immerzu verlangt wird. 

Webseite: www.kaffeemitmilchundstress-derfilm.de

Finnland 2014
Regie: Dome Karukoski
Drehbuch: Tuomas Kyrö, Dome Karukoski
Darsteller: Antti Litja, Petra Frey, Mari Perankoski,
Iikka Forss, Viktor Drevitski
Länge: 103 Minuten
Verleih: NFP, Vertrieb: Filmwelt
Kinostart: 21. Dezember 2017
 

FILMKRITIK:

Unweit der Wälder Nordfinnlands, bewohnt der Alte (Antti Litja)  mit seiner Frau (Petra Frey) ein kleines Haus. Doch es sind schwere Zeiten: die Frau ist dement, der geliebte Ford Escort gibt langsam den Geist auf und dann verletzt sich der Alte auch noch am Fuß. Deshalb muss er fürs Erste zu seinem Sohn (Iikka Forss) und dessen Familie nach Helsinki ziehen. Dort prallen seine konservativen Moralvorstellungen auf eine sozial fortschrittliche Familie. Wie soll er die Zeit dort überstehen?

Über drei Jahre nach seiner Weltpremiere auf dem Toronto Filmfest, findet die finnische Produktion doch noch ihren Weg in die deutschen Kinos. „Kaffee mit Milch und Stress“ war der erfolgreichste finnische Kinofilm 2014. Für Regisseur Dome Karukoski („Tom of Finland“) war das nichts Neues: alle seine bisherigen Filme, entwickelten in seiner finnischen Heimat zu großen Kassenhits. „Kaffee mit Milch und Zucker“ ist Karukoskis Vater gewidmet, der kurz nach der Fertigstellung verstarb.

Karukoski macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, Sympathien für seine Hauptfigur zu entwickeln. Der Alte (sein Vorname bleibt ungenannt) ist ein dauernörgelnder, gratelnder Choleriker, der nicht müde wird, seinen Unmut über die Lebensweise der jüngeren Generation zu äußern. Das beginnt nach seinem Einzug beim Sohn schon bei Kleinigkeiten. Er meckert, dass es Mate statt Kaffee gibt und dass Soja statt Hack auf den Tisch kommt. Außerdem ist die Dachrinne des Hauses verdreckt und die Badewanne zu groß. Und die Erziehungsmethoden von Sohn und Schwiegertochter (leidenschaftlich und spielfreudig in ihrer Rolle: Mari Perankoski) sind natürlich auch nicht angemessen.

Hauptdarsteller Antti Litja steht stellvertretend für eine finnische Generation, die den zweiten Weltkrieg und den Kalten Krieg miterlebte. Und damit die – nicht nur geographisch –schwierige Lage Finnlands sowie die Bemühungen des Staates, nicht in den Einflussbereich der Sowjetunion zu geraten. Im Film wird darauf in neckischen Bemerkungen des Alten über die „Sowjets“, immer wieder gekonnt und mit viel Sarkasmus angespielt. Apropos Vergangenheit: gelungen garniert Karukoski seinen Film mit Rückblenden in das frühere Leben des Alten, z.B. als seine Frau (die er liebevoll nur „die Alte“ nennt) noch gesund war. Diese Szenen heben sich dank der ausgeblichenen Farben zudem visuell vom Rest des Films ab.

Deutlich unterscheiden sich ferner die Werte und Ansichten des Alten von denen der „jungen Leute von heute“. Jene Diskrepanz arbeitet Karukoski mit einem zwar nicht gerade feinfühligen Witz, dafür aber umso deutlicher und – absichtlich – übertrieben heraus. Der derbe, harsche Humor manifestiert sich meist auf verbaler Ebene, z.B. durch das störrische Gemecker des Alten oder die lautstarken, teils sehr emotionalen Streitereien zwischen ihm und – wahlweise – seinem Sohn oder der Schwiegertochter. Eine Ausnahme davon bildet eine herrlich überdrehte Slapstick-Einlage im Garten, als der Vater mit dem Sohne einen Baum fällen will.

 „Kaffee mit Milch und Stress“ verdeutlicht aber nicht nur die abweichenden Lebensrealitäten und Anschauungen der Generationen: er zeigt auch, dass von den „Alten“ heute mehr denn je eine beachtliche Anpassung gefordert wird: etwa an die hochentwickelte Technik und die digitale Welt unserer Zeit. Der Film macht dies passend an einigen Szenen deutlich, z.B. wenn der Alte (erfolglos) versucht, mit dem modernen Herd seines Sohnes zurechtzukommen. In diesen Momenten gelingt es Karukoski wunderbar, mit komödiantischen Mitteln Verständnis und Empathie für unsere Senioren entstehen zu lassen.

Björn Schneider