Late Night – Die Show ihres Lebens

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Nah am Zeitgeist und trotzdem zeitlos - Regisseurin Nisha Ganatra trifft mit „Late Night“, ihrem ersten Kino-Spielfilm seit 2005, gleich mehrere Nerven und unterhält nicht nur, sondern legt spitzfindig den Finger in die Wunde einer Gesellschaft aus alten weißen Männern.

Webseite: www.latenight-derfilm.de

USA 2019
Regie: Nisha Ganatra
Schauspieler: Emma Thompson, Mindy Kaling, John Lithgow, Hugh Dancy, Reid Scott, Denis O’Hare, Max Casella, Paul Walter Hauser
Länge: 100 Minuten
Verleih: Entertainment One
Kinostart: 29. August 2019
 

FILMKRITIK:

Das Image der erfolgreichen Late-Night-Hosterin Katherine Newbury (Emma Thompson) gerät gewaltig ins Wanken, als bekannt wird, dass die Fernsehmoderatorin eine echte Frauenhasserin sein soll. Ihr Team besteht lediglich aus Männern, auch ihre Gags setzen langsam Staub an. Um ihren Ruf zu retten, beordert sie die tollpatschige, aber hochtalentierte Autorin Molly (Mindy Kaling) in ihr Team. Sie soll frischen Wind in die alteingesessene Runde bringen und Katherines Show wieder auf den richtigen Kurs führen. Das ist auch bitter nötig, denn wie Katherine mittlerweile mitgeteilt wurde, bleibt ihr noch ein einziges Jahr bei ihrem Sender. Aufgrund kontinuierlich sinkender Quoten hat man dort beschlossen, sie zu ersetzen. Also muss Katherine fortan tatsächlich mit Molly an einem Strang ziehen, um die Show, vor allem aber die Karriere der TV-Legende zu retten. Aus einem Marketing-Stunt wird ein eingeschworenes Team und aus der zurückhaltenden Molly eine echte Kämpferin…
 
Im Gegensatz zu den USA steht es in Deutschland nicht so gut um das Gebiet der Late-Night-Talkshows. Seit sich die Moderatorenlegende Harald Schmidt vor einigen Jahren zur Ruhe setzte und seither immer mal wieder sporadisch in den Medien gegen seinen früheren Beruf wettert, machen Namen wie Jan Böhmermann oder Klaas Heufer-Umlauf vor allem Fernsehen für die Nische respektive für die jungen Zuschauer. In den Vereinigte Staaten geben sich die Late Night Hosts dagegen die Klinke in die Hand; einer erfolgreicher als der andere. Clips mit zum Kult gewordenen Interviews oder anderweitigen Aktionen erreichen längst auch unsere Gefilde – ein Hoch auf den Videodienst YouTube! Das mag auch ein wenig der Grund dafür sein, weshalb einen die simpel „Late Night“ betitelte Tragikomödie der gebürtigen Kanadierin Nisha Ganatra vor allem an zwei Filme erinnert, die wiederum so gar nichts mit dem Thema Late Night zu tun haben: „Morning Glory“, ein Wohlfühlfilm über das Phänomen Frühstücksfernsehen, und „Der Teufel trägt Prada“ über die toughe Chefin eines Modemagazins, verkörpert von der für ihre Rolle für den Oscar nominierten Meryl Streep. Beide Filme interessieren sich vor allem für das Innenleben ihrer Figuren sowie deren Außenwahrnehmung – genau wie im Falle von „Late Night“
 
„Morning Glory“ und „Der Teufel trägt Prada“ für einen Vergleich heranzuziehen, ist auf keinen Fall negativ zu verstehen; im Gegenteil. Sie dienen vor allem zur tonalen Einordnung. Selbst, wer mit dem Themengebiet der Late Night Show nichts am Hut hat, profitiert von einem Skript, das sich die Hauptdarstellerin Mindy Kailing („Ocean’s Eight“) auf den Leib geschrieben hat. Sich und ihrer Kollegin Emma Thompson („Kindeswohl“), die sich hier gegenseitig zu Höchstleistungen animieren. Thompson verkörpert ihre knallharte Geschäftsfrau nicht als festgefahrenes Karrierebiest, sondern als bisweilen hilflos im Quotendruck verlorene Frau, die jedoch im Zweifelsfall alles unternimmt, um ihr Umfeld davon zu überzeugen, dass sie zwar tough, aber nicht böswillig ist – und was es mit der Frauenhasserin auf sich hat, wollen wir an dieser Stelle besser auch nicht verraten. Ihr gegenüber wirkt Kailing als tapsiger Neuling im Team zunächst fast verloren. Doch die vierzigjährige Mimin spielt den Wandel zur sich nach und nach aufgrund ihres Könnens auf der Karriereleiter emporschwingenden Gagschreiberin, die mit ihrer zunächst scheinbar haushoch überlegenen Mitstreiterin immer wieder aneinandergerät, jedoch schon bald an einem Strang zieht, absolut souverän und glaubhaft.
 
„Late Night“ liefert also nicht bloß einen Einblick hinter die Kulissen von Late Night Shows, Fernsehsendern und Quotendruck, sondern ist zugleich ein aufrichtiges Plädoyer für Frauen und gegenseitige Rücksichtnahme. Ohne stets den unangenehmen Zeigefinger zu schwingen und die Schuld für das stete Abfallen des Sendungsimages bei den „alten weißen Männern“ zu suchen, ist Kailings Geschichte ein charmanter Appell an Diversität und das, was folgt, wenn man diese wie selbstverständlich auslebt. Die Pointen treffen ins Schwarze – der Trailer wirbt nicht umsonst mit „Von dem Studio von ‘The Big Sick‘“ – die emotionalen Aspekte der Geschichte zünden ebenfalls und am Ende steht das unbedingte Streben nach Harmonie und gegen die ausgeprägte Ellenbogengesellschaft. Richtig gut.
 
Antje Wessels