Love After Love

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Eine Familie, die sich selbst zerrüttet: Regisseur Russel Harbough wählt für seine Tragikomödie „Love After Love“ dieses altbekannte Szenario und gewinnt ihm dabei Woody-Allen-ähnliche Züge ab.

Webseite: love-after-love.kinostar.com

USA 2017
Regie: Russel Harbaugh
Darsteller Andie MacDowell, Chris O'Dowd, Gareth Williams, James Adomian, Alex Goldberg, Graham Mason, Doris Lowerre
Länge: 91 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 1. August 2019

FILMKRITIK:

Suzanne (Andie MacDowell) und Glenn (Gareth Williams) sind seit vielen Jahren verheiratet und trotzdem so glücklich wie am ersten Tag. Ihre beiden Kinder Nicholas (Chris O’Dowd) und Chris (James Adomian) wiederum würden sich gern ihre Eltern zum Vorbild nehmen. Schaffen es aber nur zum Teil, ihr Leben in gerade Bahnen zu lenken. Das ändert sich auch nicht, als ihr Vater sie mit der Schockdiagnose Krebs konfrontiert und schon kurz darauf verstirbt. Doch Glenns Tod setzt eine Reihe unvorhergesehener Ereignisse in Gang. Nicholas trennt sich Hals über Kopf von seiner langjährigen Freundin Rebecca (Juliet Rylance) und beginnt eine Affäre mit der jüngeren Emilie (Dree Hemingway). Suzanne findet ebenfalls überraschend schnell einen neuen Seelenverwandten und Chris treibt seine Karriere als Stand-Up-Comedian voran, muss aber feststellen, dass ihn längst nicht alle so komisch finden, wie er sich selbst…
 
Wenn Regisseure sich auseinander gelebte Familien anlässlich eines tragischen Ereignisses wiedervereinen, kommen dabei meist viele unausgesprochene Dinge, jede Menge Gefühle und damit zwangsläufig Streitereien auf den Tisch. Wir kennen das von „Sieben verdammt lange Tage“, „Im August in Osage County“ und Co. Und ja, auch „Love After Love“ macht da nur bedingt eine Ausnahme, wenngleich Regisseur und Drehbuchautor Russell Harbaugh („The Mend“) mit seiner Geschichte schon ein wenig früher ansetzt. In seiner starbesetzten, großartig gespielten Tragikomödie, die ihre Weltpremiere bereits im April 2017 auf dem Tribeca Filmfestival feierte, nimmt er sich genug Zeit, um auch das Leben vor dem Schicksalsschlag – in diesem Fall der Krebstod des geliebten Familienoberhauptes – zu beleuchten, nur um die Situation später sukzessive anhand der Folgen eskalieren zu lassen. Die ganz großen hysterischen Ausbrüche bleiben hierfür aus. Selbst wenn Sohn Nicholas bei einem gemeinsamen Abendessen genussvoll seinen Unmut gegenüber dem neuen Partner seiner Mutter kundtut, bleibt er dabei auf Zimmerlautstärke und haut seinem Stiefvater in spe die Antipathie mit so viel gewitztem Chuzpe um die Ohren, wie Woody Allen in seinen besten Jahren.
 
Bis es so weit ist, braucht „Love After Love“ allerdings ein wenig Zeit, um aus dem Quark zu kommen. Die Drehbuchautoren Russell Harbaugh und Eric Mendelsohn („3 Backyards“) dringen so weit in den Alltag der hier porträtierten Familie vor, dass sie auf Überzeichnung und Dramatisierung komplett verzichten können. Man hat also wirklich das Gefühl, hier hautnah an Suzzannes und Glenns Leben teilzuhaben. Später stehen dann vor allem die beiden Söhne Nicholas und Chris im Mittelpunkt. Damit sagen sich die Macher gezielt von den Sehgewohnheiten ähnlich gelagerter Dramakost los. „Love After Love“ ist kein zweites „Im August in Osage County“ und trotz des Vergleichs mit Woody Allens Werken ist dieser Bezug doch eher auf die Qualität der Dialoge zurückzuführen. Genau genommen trifft aber selbst dieser Vergleich nur bedingt zu. Selbst bei Woody Allen ist mehr passiert.
 
Das ist aber keineswegs negativ zu verstehen, denn in „Love After Love“ hat die Unaufgeregtheit Konzept. Es ist schon beeindruckt, mit welcher Gelassenheit Russel Harbaugh Momente inszeniert, die in anderen Filmen wahlweise ins große Geheule oder aber die ganz große Lachnummer abdriften würden. Wenn sich Nicholas mit seiner Ex-Freundin über die Gründe der Trennung unterhält, dann ist das in dem Moment einfach nur von genau der Unbeholfenheit geprägt, mit der auch unsereins wohl schon jedem einmal eine Abfuhr erteilt hat. Und wenn Chris am Ende des Films auf der Bühne steht und sein von den Ereignissen geprägtes Solo-Programm vorträgt, dann wird aus dem eigentlich glänzen wollenden Comedian der Inbegriff des traurigen Clowns. Aber so liegen Freud und Leid eben nun mal beieinander.
 
Antje Wessels