Nur ein kleiner Gefallen

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Eine Helikoptermutter trifft auf eine Rabenmutter, zwischen Mord, Alkohol und Küchentipps. Dass ist die vielversprechende Prämisse von Paul Feigs „Nur ein kleiner Gefallen“, der immer wieder an verwickelte Thriller wie „Gone Girl“ oder „Girl on the Train“ erinnert, aber viel mehr auf komische als spannende Momente setzt und das sehr erfolgreich.

Webseite: www.studiocanal.de

USA 2018
Regie: Paul Reid
Buch: Jessica Sharzer, nach dem Roman von Darcey Bell
Darsteller: Anna Kendrick, Blake Lively, Henry Golding, Andrew Wannells, Linda Cardellini, Jean Smart
Länge: 118 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 8. November 2018

FILMKRITIK:

Stephanie (Anna Kendrick) ist eine alleinerziehende Übermutter. Wenn es in der Schule ihres Sohns etwas zu tun gibt, ist Stephanie die erste, die sich in Listen einträgt, die engagierteste, die, die andere Eltern mit ihrem übertriebenen Enthusiasmus nervt. Und nun versucht sich Stephanie auch noch als Vloggerin, die auf ihrer Webseite anderen Müttern gute Ratschläge erteilt, wie diese eine bessere Mutter werden können.
 
Ganz anders Emily (Blake Lively), die lieber Martinis trinkt, als sich um ihren Sohn zu kümmern, die zwar einen aufreibenden Job in der Stadt hat und ihr atemberaubendes Design-Haus ebenso wenig zu schätzen scheint, wie ihren perfekten, sie liebenden Mann Sean (Henry Golding). Dass diese beiden Frauen Freundinnen werden, scheint unmöglich, doch die beiden so unterschiedlichen Frauen sehen in ihrem Gegenüber Teile ihrer selbst, die im Verborgenen schlummern.
 
Was besonders für Stephanie gilt, die bald über sich hinauswächst und völlig neue Seiten entdeckt: Denn eines Tages verschwindet Emily spurlos, hat ihren Sohn bei Stephanie zurückgelassen, die bald ihren Vlog nutzt, um nach Emily zu suchen. Auch nachdem deren Leiche aus einem See gefischt wurde, denn dies ist nicht das Ende der Geschichte, sondern erst der Anfang der Verwicklungen.
 
Das Verschwinden einer Frau aus einer scheinbar perfekten Vorstadtwelt ist durch Filme wie David Finchers „Gone Girl“ oder Tate Taylors „Girl on a Train“ zu einem beliebten Aufhänger geworden, um die Abgründe des oft nur oberflächlich betrachtet funktionierendem Familienleben zu betrachten. In diese Richtung zielt auch Paul Feigs „Nur ein kleiner Gefallen“, der allerdings eine deutlich ironischere Tonart anschlägt.
 
Kein Wunder, hat sich Feig doch mit Filmen wie „Brautalarm“, „Taffe Mädels“ oder “Ghostbusters“ einen Namen als erfolgreicher Komödienregisseur gemacht. Im Gegensatz zu seinen früheren Filmen, die oft auf brachiale, auch vulgäre Komik setzten, kommt „Nur ein kleiner Gefallen“ dagegen überraschenderweise deutlich subtiler daher. Besonders Anna Kendrick überzeugt dabei als sanfte Parodie einer Helikoptermutter, die alles ein klein wenig zu gut macht und in keinem Moment merkt, wie sehr sich ihre Umgebung über ihr Verhalten amüsiert.
 
Geschickt stellt Feig nun Kendrick, die in ihrer von Pastelltönen, Rüschen und Schleifen geprägter Kleidung stets eine Spur zu gut gelaunt wirkt, gegen die viel elegantere, erotischere Blake Lively und spielt die beiden Frauentypen gegeneinander aus. Besonders Kendricks Figur macht dabei den interessanteren Wandel durch, entwickelt sich im Lauf der verwickelten Handlung, die immer wieder mit neuen Überraschungen aufwartet, zu einer toughen, selbstbewussten Frau, die allerdings ihr eigentliches Wesen nicht über den Haufen wirft.
 
Mehr als ein klassischer Thriller, ist „Nur ein kleiner Gefallen“, ein Film über alleinerziehende Mütter und deren Schwierigkeit, unterschiedlichen und oft auch widersprüchlichen gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden. Auch wenn er sich zu Beginn ein wenig über Stephanie lustig zu machen scheint, ist Feig letztlich doch ganz auf ihrer Seite und hat am Ende einen Film gedreht, der in gewisser Weise eine Ode an Helikoptermütter ist.
 
Michael Meyns