Pihalla – Auf zu neuen Ufern

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Der introvertierte Miku muss den Urlaub mit seinen Eltern in einem abgeschiedenen Ferienhäuschen verbringen. Es drohen Langeweile und innere Leere. Als er jedoch auf den flippigen, attraktiven Elias trifft, entwickelt sich alles anders als erwartet. Der warmherzige, behutsam erzählte Film „Pihalla“ handelt vom Suchen und Finden der Sexualität, der ersten großen Liebe, aber auch von komplizierten Elternbeziehungen und Anpassungsdruck. Der Mix aus Coming-of-Age, Familien-Dramödie und Romanze nimmt seine Protagonisten ernst und besticht darüber hinaus mit viel Humor sowie überzeugenden Darstellern.

Webseite: www.salzgeber.de

Finnland 2017
Regie & Drehbuch: Nils-Erik Ekblom
Darsteller: Mikko Kauppila, Valtteri Lehtinen, Sanna Majuri, Sami Huhtala
Länge: 100 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 15. Februar 2018

FILMKRITIK:

Da Miku (Mikko Kauppila) bei einer Party die elterliche Wohnung ganz schön ramponiert hat, muss er die restlichen Ferien mit den Eltern aufs Land fahren. Dort, in der Einöde der Natur, gibt es allerdings nichts Spannendes zu erleben. Während die Eltern ihre ganz eigenen Sorgen haben, versucht Miku irgendwie die Tage zu überstehen. Das ändert sich, als er den extrovertierten Elias (Valtteri Lehtinen) kennenlernt. Dieser macht Miku von Beginn an Avancen und versucht, ihn aus der Reserve zu locken.  Die Beiden verbringen immer mehr Zeit zusammen und erleben einen ereignisreichen, emotionalen Sommer.

„Pihalla“ ist der Regie-Erstling von Nils-Erik Ekblom, der eine kleine Nebenrolle als Barkeeper spielt. Er schrieb auch das Drehbuch. In den Hauptrollen agieren mit Mikko Kauppila und Valtteri Lehtinen Shooting-Stars des jungen finnischen Kinos. Kaupilla ist bereits seit 2011 in TV-Serien und Kino-Produktionen zu sehen, Lehtinen spielte von 2010 bis 2017 in einer erfolgreichen Drama-Serie im finnischen Fernsehen.

Auf sensible Weise und mit viel Feingefühl, lotet Regisseur Ekblom die fragilen Gefühlswelten seiner Protagonisten aus. Dabei sind es vor allem die Emotionen und (unterdrückten) Bedürfnisse von Miku, denen sich Ekblom widmet. Gerade im ersten Drittel, noch vor der Begegnung mit Elias. Bis dahin bestimmen Verunsicherung und Angst das Gemüt des 17-jährigen, denn noch kann er sich seine Sexualität nicht offen eingestehen. Und damit schon gar nicht anderen gegenüber.

Besonders deutlich wird dies in Szenen mit Miku und einem jungen Mädchen, die in ihn verliebt ist. Die Zwei kommen sich näher und tauschen Zärtlichkeiten aus. Doch Mikus Gestik und Mimik, die von Ekblom immer wieder in Nahaufnahmen eingefangen werden, verraten ganz eindeutig: er will eigentlich nicht, er fühlt sich unwohl und würde am liebsten aus der Situation flüchten. Dass Mikus Orientierungslosigkeit auch ohne große Worte dem Zuschauer nicht verborgen bleibt, ist nicht zuletzt Mikko Kauppilas einfühlsamem Spiel zu verdanken.

Wenig später wird der Kinobesucher Zeuge, wie Mikus Stimmung mit Auftreten von Elias (glaubwürdig und smart: Valtteri Lehtinen) immer besser wird und er regelrecht aufblüht. Seine Verliebtheit manifestiert sich gerade in seinem Gesicht: seine Augen leuchten wenn er Nachrichten von Elias bekommt und er lacht häufiger. Endlich scheint er auf dem Weg zu sein, mit sich ins Reine zu kommen.

Diese Entwicklung vom verunsicherten, befangenen Teenie, der sich heimlich Schwulen-Pornos ansieht, zum selbstsicheren, beherzten jungen Mann, ist das erzählerische Herzstück des Films. Und damit inhaltlicher Schwerpunkt. Daneben widmet sich Ekblom Themen wie Anpassungsdruck, Grenzüberschreitung und den komplexen Beziehungen Heranwachsender zu ihren Eltern. Dinge, die nicht nur Miku und Elias umtreiben, sondern jeden Menschen in diesem Alter beschäftigen. Das macht „Pihalla“ dann auch zu einem feinsinnigen, ungeschönten Coming-of-Age-Film, der sich den Sorgen der Charaktere aufrichtig annimmt.

Ekblom erzählt seine Geschichte dabei stets mit viel Humor. Feine und gelungen platzierte Situationskomik sowie vergnügliche Running-Gags, bilden dabei den Schwerpunkt. Etwa wenn Mikus Vater bei fast jeder Gelegenheit einschläft (egal ob beim Grillen oder am Frühstückstisch), was vor allem seine Mutter zur Verzweiflung treibt. Gegen Ende löst sich in einer der schönsten, herzerwärmendsten Szenen des Films ein großes, innerfamiliäres Missverständnis auf. Einher geht dies mit einem mutigen Bekenntnis von Miku, was ihn zum großen Gewinner des Films macht.

Björn Schneider