Salmas Geheimnis

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Einmal mehr entführt ein Animationsfilm sein Publikum ins ferne Mexiko und nimmt die Traditionen des Landes genauer unter die Lupe. „Salmas Geheimnis“ kann dabei zwar nicht ganz mit den großen Vorbildern mithalten, besticht allerdings durch seinen charmanten Umgang mit „Erwachsenenthemen“.

Webseite: www.kinostar.com

Mexiko 2019
Regie: Carlos Gutiérrez Medrano
Deutsche Sprecher: Daniel Axt, Stephan Benson
Verleih: Kinostar
Länge: 88 Min.
Start: 24. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Die 16-jährige Salma wohnt in der mexikanischen Stadt Santa Clara. Ihre leiblichen Eltern hat sie nie kennen gelernt und ihr Verhältnis zu ihrer Pflegefamilie ist angespannt. Was genau mit ihrer Mutter und ihrem Vater passiert ist, weiß Salma nicht. Sie kennt nur die Geschichte, dass ihre Eltern sie bereits als kleines Kind verlassen hätten. Einfach so. Eines Tages entdeckt das Mädchen ein altes Buch, in dem vielleicht die Verbindung zu ihrer Vergangenheit verborgen liegt. Zusammen mit ihren beiden Pflegebrüdern Jorge und Pedro begibt sich Salma auf eine spektakuläres Abenteuer in die Welt der Toten, in dem sie nicht bloß mehr über sich und ihre Vergangenheit erfährt, sondern auch die Freundschaft zu Jorge und Pedro immer inniger wird…
 
Neben dem „James Bond“-Film „Spectre“, der vor ein paar Jahren die Festivitäten des in Mexiko am 2. November stattfindenden Dia de los Muertos nutzte, um eines der spektakulärsten Openingszenen in der Franchise-Geschichte zu präsentieren, widmeten sich in jüngerer Vergangenheit gleich zwei Filme dem so genannten „Tag der Toten“, an dem die mexikanischen Einwohner zeremoniell den Verstorbenen gedenken. Es heißt: Einmal im Jahr soll es den Toten ermöglicht werden, unter den Lebenden zu weilen. Dafür werden Altare geschmückt, es wird gebacken und vor allem wird gesungen und gelacht. Denn der „Tag der Toten“ ist – anders als zum Beispiel der Totensonntag in Deutschland – kein Tag der Trauer, sondern in erster Linie ein Grund, um gemeinsam zu feiern.
 
Sowohl Disneys „Coco“ als auch die weitaus weniger bekannte Produktion „Manolo und das Buch des Lebens“ erzählen in knallbunten Animationsfilmfarben Geschichten rund um die Feierlichkeiten des Dia de los Muertos – und nun kommt mit „Salmas Geheimnis“ ein dritter hinzu, der anders als die beiden US-Produktion auch direkt in Mexiko selbst entstanden ist. Allerdings musste sich Regisseur Carlos Gutiérrez Medrano ausgerechnet aus seinem Heimatland massenhaft Kritik gefallen lassen, da er in seiner Geschichte doch sehr freimütig und bisweilen leicht verfälschend mit den mexikanischen Traditionen umgeht (blickt man einmal in die Film-App Letterboxd, findet man vor allem 0,5-Sterne-Bewertungen, die allesamt aus Mexiko stammen). Nun kann man bei derartigen Freiheiten vielleicht eher ein Auge zudrücken, wenn man – wie wir in Deutschland – davon nicht direkt betroffen sind. Was uns letztlich auch zu einem deutlich milderen Urteil kommen lässt. „Salmas Geheimnis“ kann zwar schon allein auf optischer Ebene nicht mit den deutlich teureren „Coco“ und „Manolo“ mithalten und ist auch erzählerisch nicht ansatzweise so smart geraten, wie ebendiese Beiträge. Trotzdem gelingt es auch diesem 3D-Animationsfilm stimmig, Themen an Kinder heranzutragen, mit denen man die Kleinen vielleicht nicht unbedingt im ganz jungen Alter konfrontieren möchte.
 
Dazu gehört natürlich in erster Linie das Thema Tod, das der Film (dessen Drehbuchautor übrigens nicht bekannt ist) an seine junge Zielgruppe heranträgt. Wie schon bei der Konkurrenz ist die Welt der Toten hier bunt und wunderschön inszeniert – und die Verstorbenen selbst sind im Totenreich alles andere als unglücklich. Das kann früh helfen, Verluste leichter zu verarbeiten. Der Tod ist auch in „Salmas Geheimnis“ nichts Böses oder gar Trauriges, sondern eben einfach etwas Anderes. Beim Gang durch ebenjenes Reich treffen Salma und ihre Brüder auf allerlei skurrile Gestalten, allesamt in Skelett-Montur. Diese sind so herzlich und hilfsbereit, dass „Salmas Geheimnis“ nie auch nur den Hauch von Düsternis erreicht; selbst die erzählerische Klammer rund um den personifizierten Tod an sich hält sich fern von jedweder Form von Grusel. Stattdessen liegt der Fokus ganz auf der Interaktion zwischen den Jugendlichen und später auch auf dem titelgebenden Geheimnis hinter Salmas Herkunft. Was dabei herauskommt, dürfte dann auch für ein erwachsenes Publikum berührend sein.
 
„Salmas Geheimnis“ kann mit artverwandten Animationsproduktionen weder optisch noch erzählerisch mithalten, schafft es aber, Themen wie Tod, Trauer und das Dasein als Waise ebenso kindgerecht wie spannend an sein Publikum heranzutragen, das sich ganz nebenbei auch an den wunderschönen Bildern erfreuen wird.
 
Antje Wessels