Sowas von da

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„So was von da“ ist der erste deutsche, auf einer Romanvorlage basierende Spielfilm, der vollständig improvisiert ist. Das entwickelt sich nach und nach zum Vorteil der Atmosphäre, doch wer mit den zwielichtigen Zeitgenossen der Hamburger Reeperbahn nichts anfangen kann, den wird auch Jakob Lass nicht vom Gegenteil überzeugen können. Doch nur um es erlebt zu haben, sollte man sich diese rauschhaften eineinhalb Kino-Stunden nicht entgehen lassen.

Webseite: sowasvondafilm.de

D 2018
Regie: Jakob Lass
Darsteller: Niklas Bruhn, Martina Schöne-Radunski, Mathias Bloech, Bela B. Felsenheimer, Corinna Harfouch, Esther Blankenhagel, Johannes Haas
Länge:  91 Minuten
Verleih: DCM Filmdistribution
Kinostart: 16. August 2018

FILMKRITIK:

Es ist Silvester. Für Oskar (Niklas Bruhn) heißt es noch einmal Partymachen bis zum Morgengrauen. Danach wird sein Club auf der Hamburger Reeperbahn für immer geschlossen. Oskar ist hoch verschuldet und hat sich obendrein die Kiezgröße Kalle Schwensen (spielt sich selbst) auf den Hals gehetzt. Dieser droht ihm regelmäßig Gewalt an, wenn er seine zehntausend Euro nicht zurückbekommt. Doch Oskar und seine Freunde Rocky (Johannes Haas) und Nina (Martina Schöne-Radunski) lassen sich die Laune weder durch Kiezkalle, noch durch einen traurigen Schicksalsschlag oder die steife Innensenatorin (Corinna Harfouch) vermiesen, die durch Zufall auf der Party auftaucht, um Rockys kranken Vater („Die Ärzte“-Sänger Bela B.) nach Hause zu holen. Und dann ist da ja auch noch die schöne Mathilda (Tinka Fürst), die nach der schmerzhaften Trennung von Oskar plötzlich wieder in der Tür steht und etwas von einer gemeinsamen Zukunft faselt…

Jakob Lass hat sich mit „Love Steaks“ einen Eintrag in die deutschen Filmgeschichtsbücher gesichert. Sein außergewöhnlicher, weitgehend formloser Liebesfilm ist nicht bloß eine leidenschaftliche Ode an das Leben der Mittzwanziger, sondern orientiert sich in seiner Machart außerdem am Künstlermanifest „Dogma 95“. Dieses schreibt Dinge wie den Verzicht auf künstliches Licht und den Dreh in Studios vor – daran angelehnt erfand Lass den Begriff „Fogma“ und verhalf „Love Steaks“ zu einem nahezu dokumentarischen Stil. Für seine neue Arbeit geht er nun noch einen Schritt weiter. Sein eineinhalbstündiger Partyrausch ist ein Novum innerhalb der deutschen Filmlandschaft. „So was von da“ ist der erste improvisierte Film, der auf einer Buchvorlage basiert. Und ersteres merkt man auch, denn nur völlig frei von Dialogvorgaben und gezielten Regieanweisungen lässt sich eine derart flirrende Atmosphäre kreieren, wie es Jakob Lass hier gelingt. Das muss man mögen. Erst recht, weil einem die hier agierenden Zeitgenossen in ihrer Lebenseinstellung schnell auf den Geist gehen können. Aber selbst wer mit dem zwielichtigen Milieu der Reeperbahn und all ihren skurrilen Gestalten nichts anfangen kann, wird sich dem Flair der Clubs, zumindest wie es hier aufbereitet wird, nicht entziehen können.

„So was von da“ definiert sich nur bedingt über seinen Plot. Dieser ist nämlich so überschaubar, dass er auf eine DinA4-Seite passt: Wir wohnen einer Abrissparty in der Neujahrsnacht bei – das war’s. Die zwischenmenschlichen Dramen, die sich innerhalb dieser hochkonzentriert inszenierten eineinhalb Stunden abspielen, nutzt Jakob Lass vornehmlich für audiovisuelle Spielereien. Wenn Hauptfigur Oskar seiner besten Freundin explizit einen Tumor aus dem Gehirn pult (FSK: 16!) und die beiden anschließend damit Golf spielen, bis sich der Ball, ergo: der Tumor, kurz darauf in Konfetti verwandelt, dann rangiert der Stilwillen des Regisseurs weit oberhalb der erzählerischen Präzision. Kaum einer der dramaturgischen Konflikte wird in „So was von da“ aufgelöst. Ein Krankheitsgeständnis, eine Trennung, ein Heiratsantrag – all das sind Stationen in einem Film, der diese lediglich nutzt, um punktuell Spannung, Drama oder Schock zu erzeugen, nicht aber, weil sie zur Geschichte beitragen. Das macht „So was von da“ im Laufe seiner eineinhalb Stunden zu einem ziemlich oberflächlichen Partyfilm, doch die Empfindungen der Twenty-Somethings zeichnet Lass, der gemeinsam mit Hannah Schopf („Tiger Girl“) auch das Drehbuch verfasste, glaubwürdig nach. 

Die Figuren in Lass‘ Filmen – von „Frontalwatte“ über „Love Steaks“ bis hin zu „Tiger Girl“ – gieren allesamt nach Freiheit und Selbstverwirklichung. Für „So was von da“ treibt der Autorenfilmer diese Beobachtung nun auf die Spitze. In seinem Film kann nicht einmal die sich selbst spielende Kiezgröße Kalle „Kiezkalle“ Schwensen den Young-Adults etwas von ihrer Lebensfreude nehmen. Da keift die lebensfrohe Nina den am anderen Ende der Leitung eine Bedrohung nach der anderen raushauenden Kalle schon mal ganz selbstverständlich an und bedroht ihn zurück; in dieser Partynacht kann den Jungunternehmern eben keiner etwas anhaben. Noch nicht einmal Tausende von Schulden oder die Tatsache, dass Oskar vermutlich bald die Finger gebrochen bekommt, weil er das geliehene Geld nicht zurückzahlen kann. Stattdessen macht er der Liebe seines Lebens einen Heiratsantrag, den er natürlich gleich wieder zurücknimmt – die Jugend von heute will eben im Moment leben, ohne sich zu irgendetwas verpflichten zu müssen. Wer nicht dieser Generation angehört, wird in „So was von da“ mehr als einmal mit dem Kopf schütteln, doch wer ihr selbst angehört, vermutlich öfter nicken, als einem lieb ist.

Corinna Harfouch („Fack ju Göhte 3“) gehört in „So was von da“ zu den bekanntesten Gesichtern im Cast und steht stellvertretend für diejenigen, die den „jungen Wilden“ ihren Lebensfrohsinn nicht gönnt. Lass treibt das auf die Spitze und macht sie zur Anführerin einer konservativen Partei – das wäre nicht nötig gewesen, sie ist hier ohnehin die einzige Person oberhalb der Vierzig, die ihr Geld nicht über krumme Geschäfte auf dem Kiez verdient. Im Fokus stehen allerdings die Jugendlichen, die sich völlig losgelöst von Skript-Vorgaben die Seele aus dem Leib spielen. Den dokumentarischen Anstrich eines „Love Steaks“ hat „So was von da“ schon allein aufgrund der Inszenierungsform nicht mehr; Musik, Bild und Ton verschmelzen hier zu einer genau durchchoreographierten Einheit, die im krassen Gegensatz zu den improvisierten Texten steht. Hier kommen einfach Dinge zusammen, die sich selbst nicht besser widersprechen könnten. Die Generation Y – die Millenials – könnte das besser kaum beschreiben.

Antje Wessels