Weathering With You – Das Mädchen, das die Sonne berührte

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Einen der erfolgreichsten Anime-Filme der japanischen Kinogeschichte gedreht zu haben, ist eine gewaltige Bürde, der Makoto Shinkai mit dem Nachfolger „Weathering With You“ zumindest in Teilen standhält. Vor allem visuell ist auch dieser Film atemberaubend, lichtdurchflutet und originell, inhaltlich variiert er die Geschichte einer Teenager-Romanze diesmal jedoch weniger überzeugend.

Webseite: www.universumfilm.de

Tenki No Ko
Animationsfilm
Japan 2019
Regie & Buch: Makoto Shinkai
Länge: 114 Minuten
Verleih: Universum
Kinostart: ab 16. Januar 2020

FILMKRITIK:

Auf der Flucht vor der Enge seines Elternhauses kommt der 16jährige Hodaka nach Tokio. Anfangs übernachtet er noch in 24 Stunden Internetcafés – die in Japan teilweise sogar Duschen und andere Annehmlichkeiten bieten – doch bald gehen seine Ersparnisse zur Neige.
 
Zum Glück erinnert er sich an einen Mann, der ihm auf der Fähre nach Tokio das Leben gerettet und zum Abschied seine Visitenkarte in die Hand gedrückt hat. So kommt er zu Suga, der in einer Souterrain-Wohnung haust und von dort allerlei Geschäfte macht. Zum Beispiel ein kleines Magazin schreiben, und bald wird Hodaka zum Mädchen für alles und rast auf der Suche nach Geschichten durch die Metropole.
 
Doch eine Person geht ihm nicht aus dem Kopf: Hina, ein gleichaltriges Mädchen, das ihm in einer Stunde der Not einen Hamburger spendierte. Hina ist nicht nur hinreißend, sondern besitzt auch eine bemerkenswerte Fähigkeit: Sie kann das Wetter beeinflussen und die Sonne scheinen lassen. Und da gerade eine anhaltende Schlechtwetterfront das Leben der Tokioter durchnässt, wird aus Hinas Talent schnell eine Geschäftsidee: Egal ob bei einer Hochzeit die Sonne scheinen soll oder ein Flohmarkt geplant ist, Hina kann die Wolken vertreiben. Doch bald wird deutlich, dass ihr Talent einen Preis hat, dass die Romanze zwischen Hina und Hodaka zerstören könnte.
 
Seit dem Altmeister Hayao Miyazaki hatte kein japanischer Anime-Regisseur mehr solch einen Erfolg wie Makoto Shinkai mit „Your Name.“ Inhaltlich war die Geschichte von zwei High School-Schülern, die im Körper des anderen aufwachen und erst nach vielen Abenteuern zueinander finden, im Bereich des Fantastischen angesiedelt. Optisch dagegen bestachen die Bilder durch ihren überhöhten Realismus, der gleichzeitig das zeitgenössische Japan mit enormen Detailreichtum zeigte, aber immer wieder in visuell überbordende Exzesse verfiel.
 
Sowohl inhaltlich als auch visuell lehnt sich Makoto beim Nachfolger deutlich beim Erfolgsrezept des Vorgängers an, diesmal jedoch zumindest inhaltlich mit weniger großem Erfolg. Allzu fahrig wirkt das Drehbuch oft, Nebenplots werden angedeutet und verlaufen im Sand, Ideen werden aufgegriffen, aber nicht zu Ende gedacht, die Geschichte der Romanze von High School-Kids wirkt diesmal allzu bekannt und wenig überraschend.
 
Doch die Bilder! Mit welcher Präzision Makoto Tokio wiedergibt, von den brodelnden Zentren der Vergnügungsviertel, bis zu kleinen, fast dörflichen Nachbarschaften ist atemberaubend. Dazu der fast ständige Regen, der immer wieder von aufbrechenden Wolken vertrieben wird, Sonnenstrahlen, die sich in Fenstern und Pfützen spiegeln, es ist eine Augenweide.
 
Unterlegt mit den Songs der japanischen Rockband Radwimps ist „Weathering With You“ ein eindrucksvolles sinnliches Vergnügen, auch wenn es erzählerisch ein wenig hinter den vom Vorgänger geweckten Erwartungen zurückbleibt.
 
Michael Meyns