A Girl Walks Home Alone at Night

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Als „iranische Vampirfilm-Romanze“ beschreibt Regisseurin Ana Lily Amirpour ihren Debütfilm „A Girl Walks Home Alone at Night“, eine Beschreibung, die zwar zutrifft, aber auch nur bedingt erfasst, was dieser vor allem atmosphärisch überzeugende, durch und durch postmoderne Film eigentlich ist.

Webseite: www.agirlwalkshome-film.de

USA 2014
Regie, Buch: Ana Lily Amirpour
Darsteller: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh, Mozhan Marno, Dominic Rains, Rome Shadanloo
Länge: 99 Minuten
Verleih: Capelight Pictures
Kinostart: 23. April 2015
 

Pressestimmen:

"Die erste Vampirin der Filmgeschichte, die einen Tschador trägt und Skateboard fährt: über das fantastische Kinodebüt "A Girl Walks Home Alone At Night"."
Die Zeit

FILMKRITIK:

In Bad City sind die Schatten besonders dunkel und werden des Nachts von einer unheimlichen Präsenz gefüllt: Eine namenlose Gestalt (Sheila Vand), gehüllt in einen Tschador, taucht wie aus dem Nichts auf, erscheint in Rückspiegeln, fährt ihre Vampirzähne aus und befreit die Stadt von sexistischen Männern. Bald wird auch der Drogendealer Saeed (Dominic Rains) ein Opfer, der kurz zuvor noch Arash (Arash Marandi) um seinen liebsten Besitz gebracht hat: Einen Ford Thunderbird. Arash hat nur einen Traum: So schnell wie möglich aus Bad City zu verschwinden. Doch um seines Drogensüchtigen Vaters Hossein (Marshall Manesh) willens bleibt er zurück und lernt bald das geheimnisvolle Mädchen kennen, von deren wirklicher Existenz er noch nichts ahnt.

Spielen soll die Geschichte zwar im Iran, doch die Ortschaft, in der Ana Lily Amirpour „A Girl Walks Home Alone at Night“ gedreht hat liegt natürlich nicht im Mittleren Osten sondern ist unschwer als amerikanische Kleinstadt zu erkennen. Die Schauspieler stammen wiederum aus aller Herren Länder und setzen sich aus Mitgliedern der iranischen Exilgemeinde zusammen. Und auch inhaltlich ist Amirpours Film grenzenlos, man könnte auch sagen maßlos: Die Bezüge zu Klassikern des Independent-Kinos sind unübersehbar, von der in schwarz-weiß gehaltenen Lakonie eines Jim Jarmush, über die mysteriösen Welten eines David Lynchs, bis zum minutenlangen Einsatz von atmosphärischen Popsongs, wie man ihn von Sophia Coppola kennt.

Kurz gesagt: “A Girl Walks Home Alone at Night” ist durch und durch ein Produkt der Postmoderne, das mit Zitaten und Verweisen spielt und eher einer fiktiven Welt verhaftet ist, als irgendeiner Realität. Das ist einerseits Schade, denn in Momenten scheint Amirpour tatsächlich eine Version ihres Herkunftslandes zu entwerfen: Die Architektur mag zwar durch und durch amerikanisch sein, doch die Ölpumpen im Hintergrund könnten auch im Iran stehen, wo die Enteignung der internationalen Ölgesellschaften in den 50er Jahren zu den Ereignissen führte, die noch heute nachwirken. Mehr als Straßenschilder auf Farsi sieht man nicht, dafür aber subtile Verweise auf die iranische Realität: Der allgegenwärtige Drogenkonsum, der Wunsch nach Flucht, auch ein markantes Nasenpflaster im Gesicht einer nun „perfekten“ Frau, die sich wie so viele junge Iraner eine neue Nase gekauft hat.

Doch all diese Verweise laufen ins Leere, sind ebenso wenig Metapher wie die Vampirgestalt, die äußerlich zwar einer konservativeren Iranerin ähnelt, aber wohl doch mehr aus der Phantasiewelt des Kinos entsprungen ist. Als Kommentar zur iranischen Gegenwart hat Amirpour  ihren Film wohl nicht intendiert, was Schade ist, aber durch viel Atmosphäre überspielt wird: Talent für evokative Bilder und Szenen, die mit Motiven aus allen Bereichen der Popkultur spielen, diese aber in etwas Neues, etwas Eigenes verwandeln, hat Amirpour ohne Frage. Wenn sie dieses Gespür für Atmosphäre noch mit einer dichteren Geschichte oder mit ausgereifteren Charakteren verknüpfen kann, dann könnte sie diesem dennoch unbedingt sehenswerten Debütfilm wirklich Bemerkenswertes folgen lassen.
 
Michael Meyns