A History of Violence

Kanada 2005
Regie: David Cronenberg
Buch: Josh Olson, nach einer Graphic Novel von John Wagner und Vince Locke
Musik: Howard Shore
Kamera: Peter Suschitzky
Darsteller: Viggo Mortensen, Maria Bello, Ed Harris, William Hurt, Ashton Holmes, Stephen McHattie, Peter MacNeill
96 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: Warner
Kinostart: 13. Oktober

Die dem Menschen immanente Gewalt auf individueller Ebene, die Gewalt, die offenbar untrennbar mit der amerikanischen Gesellschaft verknüpft ist, als allegorischer Überbau, das ist das Thema von David Cronenbergs neuem Film. Inhaltlich auf den ersten Blick nicht so originell wie andere Filme des Kanadiers, überzeugt A History of Violence vor allem durch die vielschichtige, nuancierte Darstellung seiner Thematik und seine überragende Nutzung der filmischen Mittel.

Es ist eine wahre Idylle. Die Kleinstadt Millbrook, Indiana, mitten in der amerikanischen Provinz. Eine lange Hauptstraße, kleine Geschäfte, gepflegte Häuser, ein Diner. Dort arbeitet Tom Stall (Viggo Mortensen), bisweilen unterstützt von seiner Frau Edie (Maria Bello). Die beiden sind ein makelloses Paar, haben zwei Kinder, ein schönes Haus, es ist fast schon ein bisschen zu perfekt. Ganz subtil führt Cronenberg schon in den ersten Minuten eine unterschwellig satirische Ebene ein, die deutlich werden lässt, dass A History of Violence zwar keine Phantasie ist, aber auch keine Realität. Die Menschen sind immer etwas zu freundlich, der Ablauf der Ereignisse immer etwas zu reibungslos, alles etwas zu malerisch. Immer mehr wird klar, dass es sich hier um die idealisierte Vorstellung der Welt handelt, wie sie in den Köpfen vieler Menschen existiert, vor allem in der Selbstwahrnehmung weiter Teile der amerikanischen Nation.

Natürlich ist die Idylle nicht von Dauer und wenn sie vergeht, dann mit aller Macht. Es beginnt mit einem Überfall auf den Diner. Zwei Männer bedrohen Toms Angestellte und werden Opfer eines Ausbruchs von Heldenmut. Zumindest die Medien stellen es so da, doch die Berichterstattung ruft den Mafiaboss Carl Fogarty (Ed Harris) auf den Plan, der in Tom den Profikiller Joey zu erkennen glaubt, der einst Mitglied einer rivalisierenden Gang war und ihm mit Stacheldraht das Auge rausreißen wollte. Vehement streitet Tom die Wahrheit ab, doch die Geschichte nimmt ihren Lauf, die Gewalt hat ihren Weg zurück in sein Leben und das seiner Familie gefunden.

Die dem Menschen immanente Gewalt, die nur notdürftig unter Verschluss gehalten wird, aber immer wieder ausbricht. Es ist sicherlich nicht das originellste Thema, das Cronenberg gewählt hat, wirklich Neues hat er der Thematik auch nicht hinzuzufügen, aber wie er es erzählt, mit welcher technischen und erzählerischen Brillanz, mit welch subtilen Nuancen, das macht A History of Violence zu einem bemerkenswerten Film. Schon der Titel deutet an, dass es hier nicht nur um eine gewalttätige Geschichte geht (auch wenn die zahlreichen Morde in äußerst graphischer Manier dargestellt werden), oder um einen einzelnen Mann, der eine gewalttätige Vergangenheit hat, sondern eben auch um Geschichte im historischen Sinn. Und das der Film auch als Allegorie auf Amerikas Umgang mit Gewalt zu verstehen ist, wird immer wieder deutlich. Typische Kleinstadt-Klischees werden variiert, die Faszination von Waffen (und ihre sexuelle Konnotation) wird betont, nicht zuletzt kommen die Mafia- Gangster nicht etwa aus Chicago, wie man erwarten könnte, sondern aus Philadelphia, der Wiege der amerikanischen Demokratie.

Viele solcher kleiner Hinweise finden sich in Cronenbergs Film, von zahlreichen Verweisen auf religiöse Erweckungsphantasien ganz zu schweigen. Es sind diese Nuancen, die subtilen Hinweise, die die Geschichte auffächern und universeller machen, als es zunächst den Anschein hat, die die große Qualität von A History of Violence ausmachen und ihn zu einem der interessantesten Filme dieses Jahr machen.

Michael Meyns