All Eyez on Me

Zum Vergrößern klicken

„All Eyez on Me“ heißt das einflussreichste Album des legendären US-Rappers Tupac Shakur – und so lautet nun auch der Titel der zugehörigen Filmbiographie. Doch wo der reale Musiker außerhalb der Norm agierte, gern provozierte und Skandale machte, geht Regisseur Benny Boom auf Nummer sicher. Sein stilistisch ansprechender Film hakt Kapitel um Kapitel die Wegmarken aus der Musikerbiographie ab – und wird dem streitbaren Tupac so kaum gerecht.

Webseite: www.facebook.com/alleyezonme.film

USA 2017
Regie: Benny Boom
Drehbuch: Jeremy Haft, Eddie Gonzalez, Steven Bagatourian
Darsteller: Demetrius Shipp Jr., Danai Gurira, Kat Graham, Annie Ilonzeh, Dominic L. Santana, Jamal Woolard, Rayan Lawrence
Laufzeit: 140 Min.
Verleih: Constantin Film Verleih
Kinostart: 15. Juni 2017

FILMKRITIK:

Die klassische Formel einer Filmbiographie, die in chronologischer Folge die Höhen und Tiefen eines Lebens aufzeigt, gilt gemeinhin als überkommen. Ambitionierte Biopics wie „Steve Jobs“ von Danny Boyle oder „Jackie“ von Pablo Larraín fokussieren auf eine bestimmte Phase, spezifische Momente oder brechen die typische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Dynamik anders auf. In „All Eyez on Me“ gehen Benny Boom und seine drei Drehbuchautoren handelsüblicher vor und hangeln sich anhand eines 1995 geführten, hier nachgestellten Interviews am Lebensweg der Hauptfigur entlang. Die so geformte Erzählung springt zwar per Rückblenden in alle zentralen Lebenskapitel der Hauptfigur, doch der lehrbuchhafte, letztlich überladene Aufbau passt kaum zum widerborstigen Protagonisten.
 
Geboren wurde der von Demetrius Shipp Jr. gespielte Rapper 1971 als Sohn der Black Panther-Angehörigen Afeni Shakur (Danai Gurira) in New York. Das FBI fahndete nach seinem Stiefvater, die Mutter hing an den Drogen. Etliche Umzüge und ein chaotisches Familienleben prägten Tupacs Kindheit und Jugend. Der aufbrausende Kerl nahm Schauspielstunden, begeisterte sich für Poesie und verfasste kritische Texte mit Hang zur Gewaltverherrlichung. Als er schließlich hinter schwedischen Gardinen landete, kaufte ihn der in Gang-Rivalitäten verstrickte Musikproduzent Suge Knight (Dominic L. Santana) im Gegenzug für einen Plattenvertrag frei. Der Erfolg des Debütalbums war enorm und Tupac stieg zu einer Ikone des 90er-Hip-Hop auf, bis er 1996 auf offener Straße erschossen wurde.
 
Auf den ersten Blick erscheint „All Eyez on Me“ als Fortsetzung im Geiste zu F. Gary Grays Biopic „Straight Outta Compton“, dessen Drehbuch eine Oscarnominierung erhielt. Beide Filme behandeln dieselbe Epoche des amerikanischen Hip Hop, beide zeigen den gesellschaftlichen Kontext der Musikform auf.
 
Ästhetisch überzeugt „All Eyez on Me“ mit einer liebhaberhaften Nachstellung der 1990er-Jahre, die der Musikvideo-Regisseur Benny Boom bisweilen in Videoclip-artigen Passagen inszeniert. Doch gerade die inhaltlichen Überschneidungen mit dem erfolgreichen „Straight Outta Compton“ offenbaren die Schwächen des Films. Wo sich Geschichte und Charaktere in F. Gary Grays Musikerporträt organisch entwickeln, bleibt Benny Booms „All Eyez on Me“ bei der Fülle an Höhepunkten fast zwangsläufig der Oberfläche verhaftet. Vieles wird nur angerissen, eine konsistente Dramaturgie bleibt das Skript schuldig, das Finale der Künstlerbiographie kommt allzu pathetisch daher. Allein die wiederkehrende Polizeigewalt gegen Afroamerikaner liefert eine narrative Klammer – und schlägt eine Brücke zur Gegenwart.
 
Christian Horn