Alles ist erleuchtet!

Everything Is Illuminated
USA 2005
Regie: Liev Schreiber
Darsteller: Elijah Wood, Eugene Hutz, Boris Leskin
Länge: 104 Minuten
Verleih: Warner
Kinostart: 15.12.2005

Mit der Adaption von Jonathan Safran Foers großartigem Erstlingsroman gelingt dem Schauspieler Liev Schreiber ein überzeugendes Kinodebüt. „Herr-der-Ringe“-Star Elijah Wood wagt sich als amerikanischer Jude bei einer abenteuerlichen Reise durch die Ukraine an die schmerzlichen Geheimnisse der eigenen Familiengeschichte.

Es gibt leichtere Vorlagen für ein Regiedebüt, als ausgerechnet Jonathan Safran  Foers fulminanten Erstlingsroman „Alles ist erleuchtet“. Der virtuose Stilmix und die inhaltliche Vielfalt des hoch gelobten Romans sind kaum in einem Kinofilm zu bändigen. Liev Schreiber aber, bislang als Schauspieler („The Manchurian Candidate“) bekannt, war schlau genug, um aus der Fülle des Materials nur Kernaspekte für seine Adaption zu übernehmen. So gestaltet er die Kinofassung als klassisches Roadmovie.

Elijah Wood spielt in der autobiographisch angehauchten Geschichte den neurotischen Autor und Sammler Jonathan Safran Foer, der nach dem Tod der Großeltern in die Ukraine aufbricht, um die Geheimnise und Wurzeln seiner Familie zu ergründen. Ausgangspunkt seiner Suche ist ein Bild von einem ukrainischen Kornfeld, in dem sein junger Großvater mit einer geheimnisvollen Frau namens Augustine zu sehen sind. Mit diesem Foto, einer Landkarte, die sich bald als untauglich erweisen soll, und dem Namen des Ortes, Trachimbrod, begibt sich der junge Amerikaner in die Obhut einer skurrilen Reiseagentur. Das Unternehmen, das sich laut Eigenwerbung auf die Suche nach jüdischer Kultur im Lande macht, entpuppt sich als Enkel-Großvater-Gespann, das mit einem klapprigen Auto und ihrem retardiertem Hund den Gast durch die Gegend kutschiert. Bald schon gerät die Suche nach dem Ort der Vorfahren zur Odyssee. Kein Mensch scheint den Ort Trachimbrod zu kennen, der auch auf keiner Karte eingezeichnet ist.

Derweil müssen Jonathan und Alex lernen, miteinander zu kommunizieren. Damit ist nicht nur das Sprachproblem gemeint, das der selbsternannte Dolmetscher Alex recht eigenwillig löst. Alex und seinem Großvater fällt es schwer, das Ansinnen des seltsamen Reisenden zu verstehen, der während der Reise scheinbar sinnlose Dinge sammelt, und zudem mit der „abstrusen“ Nachricht überrascht, kein Fleisch zu essen. Erst als die drei nach langer Irrfahrt überraschend doch noch Trachimbrod erreichen, zeigt sich plötzlich, dass die Vergangenheit sie alle wieder einholt.
L
iev Schreiber teilt mit dem Romanautor die ukrainische Herkunft. Wie Froer im Buch, so schwelgt auch Schreiber in seinem filmischen Reise in folkloristischen Bildern. Anfangs droht dabei die Geschichte aus der Spur zu geraten. Sein Bemühen, die barocke Fröhlichkeit der Vorlage aufzugreifen, lässt ihn die Figuren überzeichnen: Elijah Wood schaut anfangs aus, als wolle er sich für die Rolle des Clark Kent im nächsten Supermann-Film bewerben und Alex passt als überdrehter B-Boy auch in einem Erkan-und-Stefan-Film. Dazu gesellen sich noch der „blinde“ Großvater am Steuer und die obligatorische Polka-punkige Blaskapelle.

Doch mit der Fahrt aufs Land nimmt der Film zuerst einmal Tempo raus, und die Sorge, hier einer unausgereiften Kopie einer Kusturica-Komödie beizuwohnen, verblasst schnell. Die Figuren gewinnen an Konturen, aus den Knallchargen werden Charaktere und die grotesken Situationen wirken, im Kontrast zum realistischen Szenario der Reise, nicht mehr so bemüht.

Dazu findet Schreiber auch die passenden Bilder: zwischen verfallenen Industrieanlagen und wogenden Sonnenblumenfeldern bildet sich ein ebenso stimmungsvoller, wie dynamischer Kontrast. Ganz allmählich leitet der Film dabei von dem bloßen Unterhaltungsaspekt zu der ernsthafteren Thematisierung über: die Auseinandersetzung mit dem Holocaust, der auch in der Ukraine jüdisches Leben und Kultur weitgehend vernichtet hat. Die Bedeutung von Erinnerung und die Schmerzen und Gefahren, die mit einem solchen Prozess verbunden sind, werden hier aus unterschiedlichen Perspektiven eindrucksvoll aufgezeigt.

Norbert Raffelsiefen