Alles steht Kopf – Pixars Inside Out

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Die innovative Trickfilmschmiede „Pixar“ wird ihrem brillanten Ruf einmal mehr gerecht und präsentiert ein außergewöhnliches Animations-Abenteuer der ebenso famosen wie verblüffenden Art. Ausgetüftelt hat diesen jüngsten Geniestreich Oscar-Preisträger Pete Docter („Die Monster AG“), der von einer Elfjährigen erzählt, die nach dem Umzug in die große Stadt von Heimweh geplagt wird. Clou des Ganzen: In ihrem Kopf erlebt man ihre Gefühle, dargestellt von fünf putzig bunten Kobolden: „Freude“, „Angst“, „Wut“, „Ekel“ und „Kummer“ sitzen auf einer Kommandobrücke, drücken die Knöpfe der Emotionen, kramen gespeicherte Erinnerungen hervor oder durchwandern die Wunderwelten des Gehirns. Freud freut jetzt auch Disney – dem grandiosen Triumph bei der Weltpremiere in Cannes dürfte ein Siegeszug im Kino-Alltag folgen.

Webseite: http://filme.disney.de/

USA 2015
Regie: Pete Docter
Filmlänge: 102 Minuten
Verleih: Disney
Kinostart: 1.10.2015
 

FILMKRITIK:

„Triff’ die Stimmen in deinem Kopf“ ist dieses Abenteuer der elfjährigen Riley überschrieben. Tatsächlich rackern im Gehirn der Kleinen fünf putzig bunte Kobolde, jeder für eine andere Gefühlslage zuständig: „Angst“, „Wut“, „Ekel“ und „Kummer“ sitzen gemeinsam auf einer Kommandobrücke im Kopf, als clevere Wortführerin tritt „Freude“ auf, die chronisch für gute Stimmung sorgt. Das bislang unbeschwerte Leben der kleinen Heldin bekommt einen Knick, als die Familie berufsbedingt nach San Francisco umzieht. Die neue Wohnung ist kein Vergleich zum alten Haus mit Garten, zumal alle Möbel beim Umzug verloren gingen. Schlimmer noch: in der Schule fehlen Riley ihre alten Freunde und auch im Eishockey-Team verläuft der Anfang stotternd. So hat „Freude“ bald alle Hände zu tun, um die aufmüpfigen Gefühl-Konkurrenten im Griff zu halten. Dramatisch wird die emotionale Lage des Mädchens, als „Freude“ und „Kummer“ versehentlich durch ein Transportrohr aus dem Kommandostand gesogen werden und im Langzeitgedächtnis landen. Schleunigst müssen die beiden Gefühle zurück in die Zentrale, doch der Weg ist weit und voller Tücken. Auf ihrem abenteuerlichen Trip durch die Wunderwelten des Gehirns, geraten die ungleichen Gefährten in das Unterbewusstsein, in die Fantasie, in das abstrakte Denken und, wie könnte es bei Disney anders sein, die Traumfabrik im Kopf des Mädchens. Dem optimistischen Stehaufmännchen „Freude“ steht der ewige Trauerkloß „Kummer“ gegenüber. Doch nur gemeinsam, so die hübsche „Pixar“-Botschaft, ist man stark. Jedes Gefühl hat seine Notwendigkeit.
 
Während im Inneren bildgewaltig die fantastische Odyssee durch das Universum der Gedanken und Gefühle stattfindet, sind draußen, in der Realität, als Kontrast die Konsequenzen spürbar. Wenn der Papa unsensibel mit seinem Kind spricht, dann reagieren die fünf Gefühle im Kopf der Mutter unisono mit Unverständnis, derweil im Kopf des Mädchens „Ärger“ den Alarmknopf drückt und damit für pampige Reaktionen sorgt – worauf „Ärger“ in Vaters Schädel sofortige Gegenmaßnahmen einleitet. Umgekehrt macht sich bei den Eltern „Kummer“ breit, als ihre Riley plötzlich verschwunden ist oder es dominiert die„Freude“, als das Kind stolz beim Eishockey antritt.
 
Mit„Oben“ gelang den Pixar-Kreativen, existentielle Themen wie Verlust, Alter und Tod auf bravourös verspielte, gleichwohl seriöse Weise aufzubereiten. Dieser Spagat aus Unterhaltung und Anspruch gelingt nun auch hier mit erstaunlicher Leichtigkeit beim komplexen Thema Gefühle und Denken. Kleinere Besucher werden beim kurzen Ausflug ins abstrakte Denken gewiss kaum kichern, umso mehr dürfte ihnen das Auftreten eines imaginären Freundes namens Bing Bong gefallen. Erwachsene Zuschauer kommen auf ihre Kosten, wenn im „Gedankenzug“ die Kisten mit „Fakten“ und „Meinungen“ durcheinander purzeln („Das passiert häufig!“), oder im Gehirn eines pubertären Jungen sofort die Alarmglocken schrillen, als ihn ein Mädchen anlächelt.
 
Zum Füllhorn situationskomischer Ideen in dieser wahrlich originellen Geschichte gesellt sich eine visuelle Wundertüte verblüffender Einfälle, die ein magisches Universum zaubert. Wissenschaftlich bleibt der ambitionierte Animationsabenteurer Pete Docter durchaus seriös: Er engagierte einen renommierten Psychologie-Professor als Berater für seine Story. Sigmund Freud und Walt Disney hätten sicher gleichermaßen ihren Spaß an diesem charmanten Kino mit Köpfchen. Bei der Weltpremiere in Cannes klickten die Köpfe des Publikums bei diesem kreativen Geniestreich in seltener Einmütigkeit auf „Freude“!

Dieter Oßwald