Aufschrei der Jugend

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Eines der entscheidenden Themen bei der Bundestagswahl war der Klimawandel. Auch und nicht zuletzt ein Verdienst der jugendlichen Aktivisten von Fridays for Future, die in den letzten Jahren mit ihrem Protest weltweit für Aufmerksamkeit und bei ihren Gegnern für Ärgernis gesorgt haben. Wie die Bewegung entstand zeichnet Kathrin Pitterling in ihrer Dokumentation „Aufschrei der Jugend“ nach.

Website: https://www.wfilm.de/aufschrei-der-jugend/

Dokumentarfilm
Deutschland 2020
Regie & Buch: Kathrin Pitterling
Länge: 89 Minuten
Verleih: w-film
Kinostart: 28.10.2021

FILMKRITIK:

Kaum zu glauben, dass es kaum mehr als drei Jahre her ist, dass in Stockholm ein kleines Mädchen zu protestieren begann: Am 20. August 2018 begann Greta Thunberg ihren Sitzstreik vor dem schwedischen Parlament, um auf ein Problem hinzuweisen, dass seit Jahren bekannt ist, aber viel zu lange verharmlost wurde: Der Klimawandel.

Auch in Deutschland begannen kurze Zeit später junge Menschen auf die Straße zu gehen und zu protestieren. Anfangs wurden sie belächelt, als Schulschwänzer bezeichnet, doch das hat sich längst geändert. Luisa Neubauer, das deutsche Gesicht der Initiative ist Dauergast in Talkshows, vor der Corona-Pandemie beteiligten sich oft hunderttausende an den Demonstrationen, und bald kam auch die Politik nicht mehr an den Aktivisten vorbei. Dass im gerade zu Ende gegangenen Wahlkampf viel über Klima geredet wurde ist zwar nicht ausschließlich, aber zumindest zum Teil auf Fridays for Future zurückzuführen.

Von Anfang an begleitete die Dokumentarfilmerin Kathrin Pitterling die Aktivisten, die Kamera immer dabei, filmte die ersten Diskussionen, die ersten Versuche, Demonstrationen zu organisieren, gemeinsame Positionen zu finden, Reden zu schreiben, den Mut zu fassen, sich vor Anzugtragenden VW-Managern aufs Podium zu stellen und ihnen vorzuhalten, dass Benziner nicht die Zukunft sind. Erste Erfolge wechseln mit Enttäuschungen ab, Euphorie wird von Enttäuschung abgelöst und dann ist da noch der Hass, der den Aktivisten entgegenschlägt.

Im Laufe der Entwicklung von Fridays for Future, im Laufe des Films, kommen und gehen Gesichter, manche halten nur ein paar Wochen durch, bevor sie sich wieder ihrem normalen Leben zuwenden, andere bleiben dabei, werden selbstsicherer und eloquenter, sehen, dass sie ernster genommen werden als zu Beginn, dass ihr Engagement Früchte trägt. Allerdings in den Augen vieler Aktivisten zu langsam, zu wenig mutig. Zumindest in manchen Teilen der Bewegung ist eine zunehmende Verzweiflung zu spüren, die sich in wachsender Radikalisierung zeigt.

Die Politik bewegt sich, aber nur langsam, wie das bei Politik, die unterschiedliche Aspekte berücksichtigen muss, eben zwangsläufig der Fall ist. Doch das ist nicht genug für manche Aktivisten, die glauben, dass sie ganz genau wissen, was richtig und was falsch ist. Ein gewisser Dogmatismus ist in den Aussagen der jungen Aktivisten zu spüren, manchmal droht das Engagement in Fanatismus überzugehen.

„Aufschrei der Jugend“ ist ein Zeitdokument, allerdings kein objektives. Auf welcher Seite Kathrin Pillerling steht, ist offensichtlich, was bisweilen einer differenzierteren Darstellung der Fridays for Future-Bewegung im Wege steht. Wie es mit dem Kampf gegen die Klimakrise weitergeht, wie klar sich die zukünftige Bundesregierung zum Klimaschutz bekennt und ihn im Koalitionsvertrag festschreibt, wird bestimmen, was aus Fridays for Future wird. Wie es bislang war, das lässt sich in Pitterlings Film auf interessante Weise nachvollziehen.

Michael Meyns