Badehaus, Das

Xizao
China 1999
Regie: Zhang Yang
Buch: Liu Fengdou, Zhang Yang, Huo Xin, Diao Yinan, Cai Shangjun
Kamera: Zhang Jian, Bi Er
Schnitt: Yang Hongyu
Musik: Ye Hongyu
Darsteller: Zhu Xu, Pu Cunxin, Jinag Wu, He Zheng, Zhang Jinhao, Lao Lin, Lao Wu
92 Minuten
Verleih: Ventura Film
Kinostart: 5. Januar 2006

Einen vordergründig einfache Geschichte, deren gesellschaftliche Implikationen jedoch vielfältig sind, drehte der chinesische Regisseur Zhang Yang mit diesem Film. Ein altes Badehaus mitten in Peking ist Schauplatz für die Widerbegegnung von Vater und zwei Söhnen. In der Figurenentwicklung nicht immer subtil, ist Das Badehaus dennoch das liebevoll beobachtete Portrait einer Familie, die mit den Folgen der wirtschaftlichen Modernisierung Chinas konfrontiert wird.

Der ältere Sohn Da Ming (Pu Cunxin) hat seine Heimat schon lange verlassen und lebt in der südchinesischen Metropole Shenzen. Unmittelbar hinter der Grenze zu Hong Kong gelegen, ist Shenzen Symbol für den Siegeszug des Kapitalismus in China, der im Gegensatz zu den traditionellen Werten steht. Eine Karte seines geistig behinderten Bruders Er Ming (Jinag Wu), die ihn glauben lässt, der Vater sei gestorben, veranlasst Da Ming nach Jahren der Abwesenheit nach Peking zurückzukehren. Doch im Badehaus des Vaters Meister Liu (Zhu Xu) geht das Leben seinen gewohnten Gang. Am frühen Morgen trudeln die ersten Stammgäste ein, machen es sich auf ihren Bänken bequem und verbringen den Tag in den Wasserbecken, bei Massagen oder mit anderen Betätigungen. Viel Zeit nimmt sich der Film hier, aber die skurrilen Figuren, die unter der Dusche etwa lauthals O Solo Mio schmettern oder sich mit Grillen-Wettkämpfen die Zeit vertreiben, lassen das sympathische Bild einer alten Tradition entstehen, die weder sentimental, noch allzu nostalgisch ist. Denn der Kontrast zwischen Tradition und modernem, bisweilen rücksichtslosem Kapitalismus ist Zentrum des Films. Die drohende Zerstörung des Badehauses, das zusammen mit dem ganzen Viertel einer Neubausiedlung Platz machen soll ist eine der zwar weniger originellen, aber doch zweckmäßigen Drehbucheinfälle.

Eingeflochten ist die Geschichte des verlorenen Sohnes, der sich den Wünschen der Familie widersetzt hatte und nun nach Hause zurückkehrt. Etwas neidisch beobachtet Da Ming das innige Verhältnis, das sein Vater mit dem jüngeren Sohn hat. Langsam beginnt er das weniger vom Gewinnstreben, als von traditionellen Werten und Familienbanden geprägte Leben im Badehaus zu schätzen und hinterfragt sein eigenes Leben, bis er schließlich doch in die Rolle des Vaters hineinwächst.

Das diese bisweilen allzu offensichtliche Geschichte, deren wohlmeinende Intentionen sich in oft etwas zu banaler Symbolik zeigt, dennoch überaus sehenswert ist, verdankt sich den Darstellern von Vater und älterem Sohn. Beides in China äußerst erfolgreiche Bühnenschauspieler, verstehen es Zhu Xu und Pu Cunxin ihren schematischen Figuren mit nuanciertem Spiel ein Maß an Vielschichtigkeit zu verleihen, das ihnen das Drehbuch oft verweigert. Ohne sentimental zu werden wird so aus der intimen Familiengeschichte ein Film über die einschneidenden Veränderungen, die China – im Großen wie im Kleinen – in zunehmendem Maße erfährt.

Michael Meyns