Bergfahrt – Reise zu den Riesen

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Über Massentourismus wird in diesen Tagen viel diskutiert, meist ist dabei von Orten wie Venedig oder Mallorca die Rede, doch auch in den Bergen, die eigentlich Ruhe und Kontemplation versprechen, steht man bisweilen im Stau. Die Faszination der Berge, hier der Alpen ist eben ungebrochen, wie Dominique Margot in ihrem essayistischen Dokumentarfilm „Bergfahrt – Reise zu den Riesen“ aufzeigt.

Bergfahrt – Reise zu den Riesen
Schweiz 2024
Regie & Buch: Dominique Margot
Dokumentarfilm

https://www.gmfilms.de/Bergfahrt

Länge: 97 Minuten
Verleih: GMFilms
Kinostart: 17. Oktober 2024

FILMKRITIK:

„Der Berg ruft“ hieß einer jener berühmten Bergfilme mit denen nicht zufällig in der Zeit des Nationalsozialismus die Kraft der Berge beschworen wurde, deren Erhabenheit den Menschen klein machte und zum Teil einer Masse werden ließ. An der Faszination der Berge hat sich seitdem wenig gerändert, gerade durch Corona wurden Wanderungen in die Berge wieder besonders beliebt, versprachen sie doch Einsamkeit, die in den Städten kaum noch zu haben war.
Ein spezielles Verhältnis zu den Bergen, genauer gesagt zu den Schweizer Alpen, haben auch die Protagonisten von Dominique Margots Dokumentarfilm „Bergfahrt – Reise zu den Riesen.“ Sie leben in den Bergen, forschen, nutzen sie als Material für künstlerische Arbeit, manchmal scheinen sie auch ein esoterisch angehauchtes Verhältnis zu ihnen zu haben.
Der Naturparkwächter Luigi etwa, der von den Bergen spricht als hätten sie ein Bewusstsein, als wären es Wesen, die Leben und auf spezielle Weise mit den Menschen interagieren. Was in gewisser Weise auch stimmt, denn die Alpen wachsen pro Jahr um einige Millimeter, verursacht durch die Plattentektonik. In vielen Millionen Jahren werden die Alpen also doppelt so hoch sein wie heute, das es dann noch Menschen geben wird, die durch sie wandern, sich an ihrer Schönheit berauschen, darf man bezweifeln.
Die Berge waren schon da, als die Menschen begannen aus ihren Höhlen zu kriechen, waren schon Abermillionen Jahre alt, als der Ötzi in ihnen erfror und sie werden weiter existieren, ob mit oder ohne Menschen. Wie sehr der Mensch allerdings schon jetzt Einfluss auf die Berge nimmt, zeigt sich an den Gletschern, die seit Beginn der Industrialisierung und der mit ihr einhergehenden Klimaveränderung sukzessive schrumpfen und bald ganz verschwunden sein werden. Dadurch droht in manchen Gegenden zunehmender Steinschlag, auch Skifahren wird in vielen Gebieten immer schwieriger, was ja vielleicht auch etwas gutes hat und dem Massentourismus Einhalt gebietet.
Wehren sich die Berge etwa gegen die Menschen? Der Autor und Musiker Claudio Landolt würde diese Frage vielleicht bejahen, vielleicht würde er sie dem Berg auch direkt stellen. Denn er geht gerne mit Aufnahmegerät in die Berge und macht Tonaufnahmen, nimmt die wechselnden Geräusche auf, die die Berge von sich geben oder zumindest von sich zu geben scheinen. Ob man es wunderlich oder phantasievoll findet, wie Landolt versucht, mit den Bergen zu kommunizieren, bleibt dem Zuschauer überlassen. Einer Wertung enthält sich auch Dominique Margot in ihrem mäandernden Film, der sich in Momenten der Kraft und dem Pathos der Berge hingibt, spektakuläre Landschaftsbilder zeigt, dann wieder ihre ganz unterschiedlichen Protagonisten zu Wort kommen lässt, die selten pragmatisch, meist voller Staunen und oft auch etwas verklärt über ihr Leben in und mit den Bergen berichten. Vieles haben die Berge zu erzählen und zu geben, kalt lassen sie kaum einen Menschen, das beweist auch diese „Bergfahrt – Reise zu den Riesen“ auf eindrucksvolle Weise.

Michael Meyns