Boudu

Frankreich 2005
Regie: Gérard Jugnot
Kamera: Gérard Simon
Drehbuch: Philippe Lopes-Curval, Gérard Jugnot
Darsteller: Gérard Depardieu, Gérard Jugnot, Cathérine Frot, Constance Dollé u.a.
Länge: 104 Min.
Verleih: Concorde
Kinostart: 28.07.2005

Die Amerikaner haben’s vorgemacht. Seit Jahren drehen sie Remakes ausländischer Filme und fahren nicht schlecht damit. Nachdem man beispielsweise dem „Himmel über Berlin“ seine Flügel gestutzt und seiner Tiefen beraubt hatte, konnte selbst eine Wim Wenders-Idee weltweit kommerziell punkten. Neuaufgüsse französischer Filme waren eher rar, es sei denn, sie boten ohnehin schon einen amerikanisierten Einschlag, wie Bessons „Nikita“. Und mit „Boudu“ erhellt nun erneut ein alter Bekannter unsere Leinwände.

Das Leben der Galeriebesitzer Christian und Isolde Lespinglet ist stagniert und während er sich zur eigenen Erbauung in eine Affäre mit der jungen Assistentin Coralie stürzt, findet seine Frau Zuflucht in Medikamenten und heischt mit Schwindelanfällen nach Aufmerksamkeit. Ein heimliches Tête-à-tête mit Coralie wird empfindlich von Hilferufen gestört und Christian sieht sich genötigt, in den anliegenden Kanal zu springen, um einen Ertrinkenden zu retten. Dieser entpuppt sich als ein Herumtreiber namens Boudu, der vieles im Sinn hat, außer sich als dankbar zu erweisen. Christian nimmt den Streuner mit nach Hause und von nun an ist nichts mehr wie es war. Zwar schweigt sich Boudu über das Geheimnis seiner Retter aus, doch dafür nistet er sich häuslich bei den Lespinglets ein und denkt gar nicht daran, seinen neu gewonnen Lebensstandard wieder aufzugeben. Mit seiner vulgären und rüpelhaften Art verunsichert er zwar zunächst seine spießigen Gastgeber, doch übt er mit seiner Lebendigkeit immer mehr Faszination auf die im Leben erstarrten Personen um sich herum aus. Fluchend und saufend spielt er sich langsam in die Herzen seines Umfelds und macht auch vor amourösen Begegnungen mit Isolde und Coralie nicht Halt. Der scheinbare Weg in ein Desaster offenbart sich jedoch als wahre Lebenshilfe, indem er allen Beteiligten die Augen für ihre Beziehung öffnet. Das Glück scheint vollkommen, als Coralie ihre Verlobung mit Boudu bekannt gibt. Ist es Boudu möglich, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen oder erfüllt sich sein Motto „Besser allein, als in schlechter Gesellschaft“?

Die Franzosen holen sich zurück, was ihnen gebührt. 1932 erblickte unter der Regie von Jean Renoir ein verschmutzter und zersauster Kerl namens Boudu das Licht der Filmwelt und stellte die feine Bürgerwelt auf den Kopf. 1986 drehte der amerikanische Renoir-Anhänger Paul Mazursky mit „Zoff in Beverly Hills“ das obligatorische, aber gelungene Remake des Stoffes – eine bitterböse Satire über die versnobte Highsociety im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das hatte natürlich nur noch wenig mit dem französischen Lebensstil zu tun und so überführt Regisseur und Darsteller Gérard Jugnot, der uns als Clément Mathieu in „Die Kinder des Monsieur Mathieu“  noch in guter Erinnerung sein dürfte, den Widerspenstigen nun nach über 70 Jahren wieder zurück in seine Heimat – mit allen Elementen, die französisches Kino ausmachen. Gérard Depardieu tritt in die Fußstapfen Michel Simons und Nick Noltes und er spielt mit solcher Verve, dass es nur so eine Freude ist. Es gibt sie also doch: Remakes, die ihre Berechtigung haben!

Oliver Forst