Champagner und Macarons

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Die französische Regisseurin und Schauspielerin Agnès Jaoui lässt auf einer Promi-Gartenparty bei Paris die unterschiedlichsten Charaktere aufeinandertreffen: aufstrebende Autorinnen, erfolgreiche Youtuber, abgehalfterte TV-Stars, Influencer und egozentrische Medienschaffende. Mit ihren schrägen Figuren und vielen Nebenhandlungen kreiert sie eine bissige, medienkritische Komödie, die der wohlhabenden Bussi-Bussi-Gesellschaft radikal den Spiegel vorhält.

Webseite: www.tiberiusfilm.de

Frankreich 2017
Regie & Drehbuch: Agnès Jaoui
Darsteller: Agnès Jaoui, Jean-Pierre Bacri, Sarah Suco, Kévin Azaïs
Länge: 98 Minuten
Kinostart: 18. Oktober 2018
Verleih: Tiberius, Vertrieb: Central

FILMKRITIK:

Vor den Toren von Paris steht eine große Einweihungsparty an, zu der Nathalie (Léa Drucker), eine viel beschäftigte TV-Produzentin,  geladen hat. Da sie viele berühmte Menschen aus TV, Film, Politik und der besseren Gesellschaft kennt, findet sich eine illustre Gästeschar ein. Darunter Castro (Jean-Pierre Bacri), einer ehemaliger Star-Moderator im französischen Fernsehen. Dessen Ex-Frau Hélène (Agnès Jaoui), die gleichzeitig die Schwester von Nathalie ist, nutzt die Feier um Werbung für ihr neustes Flüchtlingsprojekt zu machen. Deren Tochter Nina (Nina Meurisse) wiederum steht kurz vor ihrem Durchbruch als Schriftstellerin. In ihrem Debütroman lässt sie allerdings kein gutes Haar an ihren Eltern. Und dann wären da zum Beispiel noch die ehemalige Wetterfee Vanessa (Héléna Noguerra) und der Social-Media-Influencer Biggiestar (Yvick Letexier), die die Party gehörig aufmischen.

Agnès Jaoui ist in Frankreich als Darstellerin bereits seit den späten 80er-Jahren erfolgreich, international bekannt wurde sie vor allem mit der Komödie „Schau mich an“ (2004). Darin spielte sie die Hauptrolle und verfasste das Script, für das sie den Europäischen Filmpreis erhielt. Mit ihrem aus prominenten französischen Schauspielern bestehenden Cast drehte sie „Champagner und Macarons“ in der 1500 Einwohner zählenden Gemeinde Saint-Rémy-l’Honoré. Am Drehbuch schrieb auch Jean-Pierre Bacri mit.

Unserer schnelllebigen, auf Konsum und Materialismus ausgerichteten Gesellschaft den Spiegel vorhalten und hinter die glattpolierten, oberflächlichen Fassaden der Stars und Sternchen blicken – diese Ziele verfolgt Agnès Jaoui mit ihrem neuesten Werk. Beides erreicht sie deshalb so gut, da sie die gut situierte Prominenz als ganz normale Menschen mit Ängsten und Schwächen entlarvt. Deutlich werden deren Nöte jedoch oft nur in den intimen Gesprächen zwischen (meist) zwei Personen, denen sich Jaoui gewissermaßen still und heimlich mit der Kamera nähert.

Da ist zum Beispiel Castro, der in der Masse stets den Schein des selbstbewussten, einflussreichen Moderators wahrt. In den vertraulichen Momenten, etwa wenn er sich mit der Gastgeberin unterhält, kommen seine Verbitterung, Ich-Bezogenheit und wahren Ansichten zum Vorschein: Er kämpft verbissen gegen das Älterwerden an, gönnt anderen ihren Ruhm nicht und kann sowieso nicht akzeptieren, dass seine größten Erfolge in Wahrheit schon lange zurückliegen. Die Tatsache, wie stark unser Sozialverhalten und das Erleben bestimmter Ereignisse bzw. Situationen mittlerweile von den sozialen und modernen Medien bestimmt wird, manifestiert sich im Film durch die Figur der  ungeschickten Kellnerin (herrlich überdreht: Sarah Suco).

Sie kann gar nicht glauben, wie viele bekannte Gesichter sich auf der Party tummeln und zückt daher praktisch minütlich ihr Smartphone, um bloß auch jeden Moment für die Ewigkeit festzuhalten. Vor allem auf Selfies mit den VIPs hat sie abgesehen, die anschließend natürlich in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Auch diesen Aspekt thematisiert „Champagner und Macarons“ damit auf bissige, bewusst überzogene Weise: Unseren allgegenwärtigen Veröffentlichungs- und Posting-Wahn, der dafür sorgt, dass der Augenblick nicht genossen und bewusst erlebt wird.

Einzig vorwerfen kann man Jaoui, dass sie hier und da den erzählerischen roten Faden zu verlieren droht. Grund dafür ist die hohe Zahl an Erzählsträngen, Einzelschicksalen und beteiligten Figuren. Ausgeglichen wird dies jedoch durch die spielfreudigen, blendend aufgelegten Darsteller, die ihre Rollen glaubhaft verkörpern und denen Jaoui rasiermesserscharfe Dialoge in den Mund legt.

Björn Schneider