Das Mädchen und die Spinne

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Nach dem bemerkenswerten Debüt „Das merkwürdige Kätzchen“ führt Roman Zürcher seine Studien über Kleintiere und ebenso seltsame Menschen fort. Bei der Berlinale lief „Das Mädchen und die Spinne“ mit großem Erfolg in der Sektion Encounters und wurde mehrfach ausgezeichnet. Ein feinfühliger Film zwischen Walzertakt und Presslufthammer.

Website: https://salzgeber.de/spinne

Schweiz 2021
Regie: Roman Zürcher
Buch: Roman & Silvan Zürcher
Darsteller: Henriette Confurius, Liliane Amuat, Ursina Lardi, Flurin Giger, André M. Hennicke, Ivan Georgiev
Länge: 98 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: geplant für Juni 2021

FILMKRITIK:

Irrungen und Wirrungen in einer Berliner Wohngemeinschaft. Mara (Henriette Confurius) und Lisa (Liliane Amuat) waren jahrelang Mitbewohner, nun zieht Lisa aus. Ihre Mutter Astrid (Ursina Lardi) hilft beim Umzug und wirft dabei ein Auge auf den professionellen Umzugshelfer Jurek (André M. Hennicke). Sein Assistent Jan (Flurin Giger), landet bei der nächtlichen Abschiedsparty bei der Nachbarin Kerstin (Dagna Litzenberg Vinet) im Bett, die wiederum mit Mara Blicke tauscht.

Menschen kommen und Gehen, reden, trinken, tanzen und beobachten. So wie es auch Roman Zürcher macht, der schon in seinem Debütfilm „Das merkwürdige Kätzchen“, einen ganz speziellen, ganz eigenen Blick auf die Welt offenbarte, mit wachen Augen die Seltsamkeiten des Alltags beobachtete, das Besondere im scheinbar normalen und banalen suchte. So wie in diesem Debüt spielt auch „Das Mädchen und die Spinne“ fast ausschließlich in einer Wohnung, in einem Berliner Altbau (auch wenn der Finanzierung wegen in einem Set in Bern gedreht wurde), mit rohen Dielen, großen Türen und lichtdurchfluteten Räumen.

Ein Sommerfilm ist „Das Mädchen und die Spinne“, ein gleichermaßen leichter wie experimenteller Film, getragen vom Leitmotiv des Walzerklangs: Immer wieder ertönt Eugen Dogas „Gramofon Waltz“, der den Rhythmus des Films, der Kamera, der Figuren vorgibt, auch wenn nicht dazu getanzt wird. Schon eher zum zweiten immer wiederkehrenden Song: Dem 80er Jahre Klassiker „Voyage Voyage“ von Desireless, ein beschwingtes Stück Pop, der vom Glück des Reisens und der Veränderung erzählt.

Wohin ein Weg genau gehen soll oder kann, mit welchen Absichten und Zielen sind Fragen, die im sanften Reigen von „Das Mädchen und die Spinne“ lose umschifft werden. Dinge auf den Punkt bringen ist nicht die Absicht von Roman Zürcher, der zusammen mit seinem Bruder Silvan, der auch als Regieassistent am Film mitwirkte, arbeitet. Jahrelang feilen die Brüder am Drehbuch, perfektionieren das Erzählen mit Andeutungen, durch Auslassungen, lassen dann Schauspieler, die meist betont pragmatisch und unemotional wirken, in einer ausgefeilten Choreographie durch die Räume gleiten.

Manieriert mutet das manchmal an, aber doch nie steif. Viel zu eigensinnig ist Zürchers Blick, viel zu gekonnt setzt er surreale Momente neben präzise Beobachtungen des Zwischenmenschlichen, lässt seinen Charakteren trotz aller Planung viel Raum zum Sein. So viele Figuren die Räume der Wohnung auch bevölkern, so nah sich Jan und Kerstin, Lisa und Mara auch sind – deren genauen Beziehungsstatus man nur ahnen kann – so allein sind die Charaktere am Ende doch, allein mit sich und ihrer Melancholie, deren sanfte Schwingungen mit schöner Regelmäßigkeit durch das Lärmen eines Presslufthammers aufgebrochen wird, der von Außen herein dröhnt.

Michael Meyns