Das Sams (Wiederaufführung)

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Und da ist es wieder: das Sams. Zum 80. Geburtstag seines Schöpfers Paul Maar kommt der zeitlose Familienspaß von 2001 zurück auf die große Leinwand. Die Geschichte vom frechen Sams (ChrisTine Urspruch) und dem schüchternen Regenschirmkonstrukteur Bruno Taschenbier (Ulrich Noethen) hat immer noch genau so viel Charme und Witz wie vor 16 Jahren oder wie 1973, als das Buch „Eine Woche voller Samstage“ seinen Siegeszug durch die Kinderzimmer antrat. Also auf ein Neues!

Webseite: www.dassams.de

Deutschland 2001
Regie: Ben Verbong
Drehbuch: Paul Maar, Ulrich Limmer (nach den Büchern von Paul Maar, u. a. „Eine Woche voller Samstage“)
Darsteller: ChrisTine Urspruch, Ulrich Noethen, Aglaia Szyszkowitz, Armin Rohde, Eva Mattes
Länge: 97 Minuten
Verleih: Weltkino Filmverleih
Kinostart Wiederaufführung: 20. Juli 2017

FILMKRITIK:

Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: „Das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, dass die Wünsche, die man hat, in Erfüllung gehen.“ – Genau davon handelt Paul Maars Geschichte. In der Hauptrolle: Herr Taschenbier, der Inbegriff eines unauffälligen, gehemmten Mannes, der sich von allen unterbuttern lässt. Dazu gehört nicht nur seine Vermieterin Frau Rotkohl (Eva Mattes), sondern auch sein Chef, Herr Oberstein (August Zirner). Eigentlich ist Taschenbier (Ulrich Noethen) der typische Nerd, ein bisschen verpeilt und weltfremd, aber im Grunde ein netter Kerl. Eines Tages, nicht ganz überraschend ist es ein Samstag, platzt in sein Leben ein strubbeliger Rotschopf: das Sams, das strahlend „Papa“ zu Herrn Taschenbier sagt und sich einfach nicht abschütteln lässt. Erst als Herr Taschenbier entdeckt, dass das Sams Wünsche erfüllen kann, ändert sich seine Einstellung zu dem kleinen Monster-Anarcho mit der großen Klappe. Das Sams erfüllt Taschenbiers Wünsche am laufenden Band, aber für jeden Wunsch verliert es einen „Wunschpunkt“, die als blaue Sommersprossen in seinem Gesicht sitzen. Leider beherrscht Herr Taschenbier das richtige Wünschen nicht so gut, und so verbraucht er eine Menge Punkte, um wiedergutzumachen, was er angerichtet hat. Nur zu gern würde Herr Taschenbier mit Hilfe des Sams das Herz seiner neuen Kollegin Frau März gewinnen. Leider ist das Sams aber ziemlich eifersüchtig …
 
Ein Abenteuer jagt das nächste – der Film lebt von einem geschickt aufgebauten, familienfreundlichen Drehbuch, das tatsächlich Groß und Klein anspricht. Für die Erwachsenen gibt es genauso viel zu sehen, zu staunen und zu lachen wie für die Kinder. Das liegt an der teilweise erfreulich albernen Situationskomik und an den gut aufgelegten Darstellern. ChrisTine Urspruch als Sams ist unglaublich: Sie macht die Kunstfigur lebendig, sie erschafft aus dem erfundenen Anarchowesen eine skurrile und dennoch liebenswerte Persönlichkeit, die manchmal nervtötend ist wie ein Kind, aber manchmal auch voller Weisheit. Die zeigt sich besonders in der Sprache des Sams. Es nimmt vieles wörtlich, was nicht nur witzig ist, sondern manchmal auch sehr entlarvend. Wie ChrisTine Urspruch als Sams ganz selbstverständlich Kleidungsstücke, Teller oder auch mal ein Stück Seife verzehrt, das ist so beiläufig wie kunstvoll genau neben der Spur und passt daher perfekt ins Bild. Dieses Sams fungiert gleichzeitig als Kind und als Erziehungsberechtigter für den verklemmten Einzelgänger Taschenbier, der sich langsam, aber sicher zu einem sozialen Wesen mausert. Ulrich Noethen spielt mit angemessenem Ernst und wirkt dadurch umso komischer. Sein linkischer Sonderling wird immer mehr zum Rebellen, der sich dagegen wehrt, in eine Schublade gepackt zu werden. Dabei erweist sich Ulrich Noethen unter anderem als sehr passabler Disco-King und als zwar nicht freiwilliger, aber begabter irischer Riverdancer, und das sogar auf den Tischen des nobelsten Restaurants einer Provinzstadt, wo jeder jeden kennt. Hier wird dann auch das ganze zwerchfellerschütternde Ausmaß der Vorlage von Paul Maar sichtbar: Der Autor hält der spießbürgerlichen Gesellschaft den Spiegel vor. Individualität statt Durchschnitt – so lautet das Erfolgsrezept, mit dem Herr Taschenbier schließlich (Achtung: Spoileralarm!) sogar das Herz der schönen Frau März erobert.
 
All das verpackt Ben Verbong in zeitlose Bilder mit viel Vintage-Charme. Die Handlung spielt in einer zauberhaften deutschen Kleinstadt, in Bamberg, wo hinter den Fassaden der schön renovierten Häuser ein paar ziemlich fiese, aber dank Sams und Taschenbier durchaus erträgliche und vor allem lernfähige Zeitgenossen leben. Dazu gehört Frau Rotkohl (wunderbar trutschig: Eva Mattes) sowie Taschenbiers Chef , Herr Oberstein, den August Zirner mit praktisch bewegungsloser Miene als kapitalistischen Großkotz spielt. Die Guten werden angeführt von Aglaia Szyszkowitz, stets sehr kleidsam in wechselnde Rottöne gehüllt; sie beeindruckt als liebenswerte und vernünftige Frau März. Und Armin Rohde als Herrn Taschenbiers einziger Freund, Herr Mon, spielt einen liebenswürdigen Hippie irgendwo zwischen Philosoph und Penner, der ebenso wie sein Kumpel auf der Suche nach Liebe ist, nur mit dem Unterschied, dass er weiß, was er sucht. Herr Mon liebt Tiere und hat eine ganze Menge davon, weil er denkt, dass er dann leichter eine Frau findet. Dabei liegt das bzw. die Gute so nah … Wer also möchte, kann sich an vielen Details erfreuen, die den Film inhaltlich und nebenbei auch visuell zu einem gelungenen Kinoereignis machen. Aber wer sich selbst nebst Kind und Kegel einfach bloß mal wieder wie Bolle aufm Milchwagen amüsieren möchte, ist hier ebenfalls goldrichtig.
 
Gaby Sikorski