Dear Wendy

Dänemark 2004
Regie: Thomas Vinterberg
Buch: Lars von Trier
Kamera: Anthony Dod Mantle
Musik: Benjamin Wallfish
Darsteller: Jamie Bell, Bill Pullman, Michael Angarano, Danso Gordon, Novella Nelson, Chris Oven
Länge: 105 Minuten
Verleih: Legend Films
Kinostart: 6. Oktober

Ein typisches, schematisch gezeichnet und von brennendem Dogmatismus durchzogenes Lars von Trier-Drehbuch, verfilmt vom jüngeren Kollegen Thomas Vinterberg. Die beiden dänischen Regisseure erzählen eine Moritat über die Faszination und Gefahren von Waffen, bisweilen mitreißend inszeniert und von zum Teil banaler Moral durchzogen. Eine interessante Zusammenarbeit, allerdings ganz und gar nicht aus einem Guss.

Schauplatz der Geschichte ist das fiktive amerikanische Kaff Esteherslope. Einst brachte der Bergbau Wohlstand, doch die guten Tage sind vorbei. Nach dem Tod seines Vaters lebt der junge Dick (Jamie Bell) mit der schwarzen Hausangestellten Clarabelle (Novella Nelson) in kargen Verhältnissen, unterbrochen nur von seiner Arbeit im Supermarkt. Die Einladung zu einer Geburtstagsfeier bringt die Geschichte ins Rollen. Dick wählt eine Spielzeugpistole als Geschenk, stellt aber schnell fest, dass die Waffe keineswegs ein Spielzeug ist. Zusammen mit seinem Freund Stevie (Mark Webber) entdeckt Dick die Faszination von Waffen, die Lust am Schießen. Jedoch nur zum Spaß, wie man sich schwört, gleichzeitig das wichtigste Statut ihres schnell gegründeten Clubs, der Dandies. Zusammen mit anderen Außenseitern verbringen sie von nun an ihre Zeit mit den Pistolen, kleiden sich wie mythologische Westernfiguren, geben ihren Waffen Namen und gestehen ihnen gar Emotionen zu, was sich dann schon mal in einer „bewussten“ Ladehemmung äußert. Pazifistische Schusswaffenfreunde quasi, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf den Besitz von Schusswaffen gebrauch machen, jedoch nie von den Waffen selbst gebrauch machen wollen. Doch natürlich kommt es anders, ganz im Sinne der schlichten Moral von Triers. Sheriff Krugsby (Bill Pullman) heuert Dick als Bewährungshelfer für den schwarzen Jugendlichen Sebastian (Danso Gordon) an, der beginnt die Werte des Clubs in Frage stellt. Doch erst ein rassistischer Vorfall bringt die Dandies dazu von ihren Waffen gebrauch zu machen, einzig und allein um die Freiheit zu verteidigen natürlich.

Es ist nicht die Pistole die tötet, sondern der Mensch hinter dem Abzug wird die Schusswaffenlobby nicht müde zu betonen. Doch so banal wie dieser Slogan immer schon war, so banal ist auch Lars von Triers Abrechnung mit dem American way of Life und der angeblich so typisch amerikanischen Faszination mit Waffen. Zwar bemüht sich Vinterberg deutlich die antiamerikanischen Elemente des Drehbuchs abzuschwächen und die ohne Frage interessanten und relevanten Fragen der Thematik auf eine universelle Ebene zu führen. Doch es gelingt ihm nur selten, die banale Überzeichnung dieser Sicht auf Amerika abzuschwächen, auch wenn das Amerika dieses Films ebenso überzeichnet ist wie das in Dogville und Manderlay von von Trier erdachte. Auf einer verlassenen Militärbasis (übrigens in NRW) lies Vinterberg seine Version von Amerika errichten, das kaum einer bestimmten Zeitperiode zuzuordnen ist. Nicht zuletzt die Anlehnung an diverse Western-Filme ist offensichtlich, die besonders im Finale zum tragen kommt. Nachdem er sich über weite Strecken des Films stilistisch eher zurückgehalten hat, bedient sich Vinterberg für den brillant überzeichneten Shoot-Out aller technischen Stilmittel. Röntgenaufnehmen zeigen das Eindringen der Kugeln, eingezeichnete Linien deuten ihre Flugbahn an und an stilisierten Zeitlupenaufnahmen wird nicht gespart. Doch so mitreißend diese und etliche andere Sequenzen auch sind, führen sie doch zurück zum Problem des Films: Vinterberg ironisiert die Geschichte, während von Trier sie ernst nimmt. Die Folge ist ein thematisch interessanter, aber bisweilen moralisch wirrer Film, der letztlich weniger wegen einer relevanten Analyse eines gesellschaftlichen Problems überzeugt, als durch seine Machart.

Michael Meyns