Dügün – Hochzeit auf Türkisch

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In Duisburg-Marxloh reiht sich ein Brautmodengeschäft an das nächste. Der Markt für türkische Hochzeiten, die aus deutscher Perspektive von einem Nimbus der Opulenz umgeben sind, scheint riesig zu sein. In ihrer Dokumentation „Dügün – Hochzeit auf Türkisch“ spüren die Filmemacher Marcel Kolvenbach und Ayşe Kalmaz dem Phänomen nach und befragen dafür eine ganze Reihe an Protagonisten, die kurz vor der Hochzeit stehen, diese schon längst hinter sich haben oder an vorderster Front dabei sind, wenn es um die Organisation der Feierlichkeiten geht.

Webseite: www.realfictionfilme.de

OT: Dügün – Hochzeit auf Türkisch
Deutschland 2015
Regie: Marcel Kolvenbach, Ayşe Kalmaz
Mitwirkende: Ferhat Aldur, Turgut Karakuş, Ani Karakaya, Erdem Karakaya, Melina Dinler, Süleyman Dinler, Nihal Kuru, Aliş Kuru, Hatice Kök
Länge: 89 Min.
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 8. September 2016

FILMKRITIK:

„Düğün“ heißt übersetzt Hochzeit oder Hochzeitsfeier. Zugleich ist das Wort auch der Titel einer türkischen Hochzeitszeitschrift, die Ferhat Aldur betreut. Als einer der Protagonisten der Doku kennt der Hochzeitsplaner den türkischen Heiratsmarkt von Duisburg-Marxloh wie kaum ein zweiter. Aldur organisiert einen passenden Saal für die Verlobungs- und Hochzeitsfeierlichkeiten, kümmert sich um die Musik, bestellt das Buffet – und wird nicht müde zu betonen, dass früher alles anders war. Die heutigen Eheleute seien sehr auf die Finanzen bedacht, was oft kaum Spielraum bei der standesgemäßen Umsetzung der Feierlichkeiten lässt.

„Mit Trauung ja, ohne Trauung auf keinen Fall,“ resümiert ein Imam seine Einstellung zur Liebe zwischen Mann und Frau. Mit seiner Losung steht er im Reigen der Protagonisten allerdings alleine da. Die Interviewpartner erklären durch die Bank, dass türkische Ehen moderner geworden sind. Zusammen leben geht auch ohne Trauschein, manch einer stellt sogar den Sinn einer Eheschließung in Frage. Der gesellschaftliche und familiäre Zusammenhalt ist auch in türkischen Einwandererfamilien brüchig geworden. Auf heutigen türkischen Hochzeiten tanzen neben der Verwandtschaft auch deutsche Nachbarn, Kollegen oder Freunde – früher wäre das undenkbar gewesen.

Die Dokumention steigt mit Bildern einer türkischen Hochzeitsfeier ein und zeigt eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft, die zu Schlagermusik tanzt. Im weiteren Verlauf gibt es aber kaum noch solche Einblicke in Hochzeiten. Die türkisch-kurdische Filmemacherin Ayşe Kalmaz und der deutsche Regisseur und Kameramann Marcel Kolvenbach konzentrieren sich eher auf die Vorbereitungen. Eine Hauptrolle spielt hier die Auswahl eines passenden Brautkleids, das sich eine der heiratswilligen Damen – übrigens eine Deutsche, die einen Türken heiraten will – eigens nach ihren Vorstellungen schneidern lässt. Doch auch für Brautkleider von der Stange halten die omnipräsenten Brautmodengeschäft in Duisburg-Marxloh eine riesige Auswahl bereit. Der Fokus auf die Auswahl der Brautkleider erscheint inhaltlich als Sackgasse und erinnert mitunter, etwa wenn die Braut kurz vor der Trauung die Nerven verliert, an Wedding-Reality-Formate aus dem Privatfernsehen. Von den Anzügen der Männer ist übrigens nur einmal kurz die Rede, was gängige Klischees bestätigt.

Die Inszenierung wirkt bisweilen amateurhaft, mit einer oft holprigen Montage und wiederholt auftretenden Unschärfen. Der Fokus liegt somit ganz automatisch auf den Gesprächen und Interviews mit den Heiratswilligen, den künftigen Schwiegereltern oder den Hochzeitsplanern. Viele Erkenntnisse, die über persönliche Kurzporträts hinausreichen, bleiben am Ende aber nicht hängen – abgesehen davon, dass türkische Eheschließungen in den letzten Jahren moderner und offener geworden sind. „Früher war alles anders“ lautet gewissermaßen der Tenor der besinnlichen Doku, die vor allem Unterschiede zwischen den Generationen aufzeigt.

Christian Horn