Freddy/Eddy

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Ein bemerkenswert souveränes Stück Genrekino legt Tini Tüllmann mit ihrem Regiedebüt „Freddy/Eddy“ vor, dass eine klassische Doppelgänger/Schizophrenie-Geschichte effektvoll in die bayerische Provinz verlegt. Nicht zuletzt stilistisch herausragend zeigt dieser Film, was mit Willen, Herzblut und Kreativität auch ohne offizielle Filmförderung entstehen kann.

Webseite: www.freddyeddy.de

Deutschland 2016
Regie & Buch: Tini Tüllmann
Darsteller: Felix Schäfer, Jessica Schwarz, Burghart Klaussner, Robert Stadlober, Katharina Schüttler, Greta Bohacek, Alexander Finkenwirth
Länge: 94 Minuten
Verleih: Filmlawine
Kinostart: 1. Februar 2018

FILMKRITIK:

Einst war Freddy (Felix Schäfer) ein erfolgreicher Maler, verkaufte seine Bilder für viel Geld, führte mit Frau und Kind ein glückliches Leben. Doch dann hat er seine Frau brutal zusammengeschlagen, zumindest behauptet sie dies und nimmt diese Tat als Anlass, Freddy zu verlassen und den Zugang zum Kind aufs Minimum zu reduzieren. Auch seine Karriere gerät durch den schlimmen Verdacht ins Stocken, seine Galeristin (Katharina Schüttler) verstößt ihn, so wie ihn auch die anderen Dorfbewohner schief ansehen.
 
Seine neue Nachbarin Paula (Jessica Schwarz) und ihre 14jährige Tochter Mizi (Greta Bohacek) ahnen dagegen nichts von den Vorwürfen gegen Freddy, der sich allerdings nicht an seine Tat erinnern kann. Seinem Psychiater (Burghart Klaußner) erzählt er von Eddy, einer Gestalt, um die sich viele Rätsel ranken. Ist er ein imaginärer Freund, den sich Freddy in Kindertagen vorgestellt hat und der jetzt zurückgekehrt ist? Ist er der noch im Mutterleib verstorbene Zwillingsbruder, von dem ihm seine Mutter und sein Halbbruder David (Alexander Finkenwirth) berichten? Oder ist Freddy einfach schizophren und benutzt Eddy, um seine dunkle Seite auszuleben?
 
Ganz langsam entwickelt sich in Deutschland eine Kultur des Genrekinos, werden Filme wie „Der Nachtmahr“ oder „Der Bunker“ gedreht, bezeichnenderweise meist außerhalb der Strukturen der Fördersysteme. Was zum einen bedeutet, dass die Projekte mit winzigem Budget auskommen müssen, sie zum anderen kaum Chancen auf eine Auswertung im Fernsehen haben und auch der Zugang zur Verleihförderung schwierig ist.
 
So bringt nun auch Tini Tüllmann ihren Debütfilm „Freddy/Eddy“ im Selbstverleih ins Kino, ein Psychothriller, dem man in keinem Moment ansieht, dass er für nur 75.000 Euro gedreht wurde. Dass Tüllmann dennoch eine so gute Darstellerriege zusammenbekommen hat, zeugt von ihrer Überzeugungskraft, von der Lust vieler Darsteller, auch für wenig bis keine Gage in Genrefilmen mitzuwirken, vor allem aber davon, wie gelungen das Drehbuch war.
 
Lange hält Tüllmann die Frage offen, wer oder was Eddy nun eigentlich ist, ob er real oder ein Auswuchs der Imagination ist, und auch als sie das Rätsel im letzten Drittel lüftet, verliert der Film nicht an Spannung. Was zum einen den überzeugenden Darstellern zu verdanken ist, vor allem aber der herausragenden Inszenierung. Markus Selikovskys Scope-Bilder fangen die beklemmende Kleinstadtatmosphäre ebenso präzise ein, wie die Ausbrüche der Gewalt, dazu tragen jeweils vier Cutter und Tonmischer dazu bei, dass „Freddy/Eddy“ keinen Moment zu lang ist und auch akustisch überzeugt.
 
Jetzt liegt es also nur noch an Kinobetreibern, diese kleine Perle deutschen Genrekinos zu programmieren und dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, auch einmal mehr als gelungenes Genrekino aus der Heimat zu entdecken, dass sich zwar nicht mit dem Aufwand einer zigfach teureren Hollywood-Produktion messen kann, aber unbedingt an Einfallsreichtum und Originalität.
 
Michael Meyns