Höhle des gelben Hundes, Die

Deutschland 2005
R+B: Byambasuren Davaa
K: Daniel Schönauer
M: Ganpurev Dagvan
S: Sarah Clara Weber
D: Urjindorj Batchuluun, Buyandulam Daramdadi Batchuluun, Nasal Batchuluun, Nansalmaa Batchuluun, Batbayar Batchuluun
Länge: 90 Minuten
Verleih: X Verleih/Vermietung über Warner
Start:28.7.2005

Mit der Höhle des gelben Hundes begibt sich die Regisseurin von Die Geschichte vom weinenden Kamel, Byambasuren Davaa, ein weiteres Mal in ihre Heimat Mongolei. Nach einer mongolischen Legende erzählt sie von einem kleinen Nomadenmädchen, das in einer Höhle einen Hund findet und adoptiert. Obwohl die Handlung komplett fiktiv ist, ist Davaas Blick dokumentarisch geblieben. Alltag und Spiritualität der letzten traditionell lebenden Nomadenfamilien der Mongolei stehen auch diesmal im Zentrum ihres Films.

Direkt nach Abschluss der Dreharbeiten zu Die Geschichte vom weinenden Kamel begann Byambasuren Davaa mit der Planung für einen weiteren Film, der ebenfalls in der Mongolei spielen sollte, diesmal im Nordwesten. Anstelle der kargen Wüstenlandschaft aus dem “weinenden Kamel“ bestimmen graugrüne Wiesen, die bis an den Horizont reichen, sanfte Hügel und schroffe Felsen die Landschaft. Die atemberaubend klare Luft sorgt für wunderschöne Bilder, in denen die Farben leuchten und die Umrisse wie gemalt erscheinen.

In dieser Idylle (in der die Temperaturen im Winter auf –30 Grad sinken) lebt eine junge Nomadenfamilie: Mutter, Vater und drei kleine Kinder. Nansa, die älteste Tochter, ist gerade vom Schulbesuch in der Stadt zurück gekehrt und hilft den Eltern mit der Haus- und Hütearbeit, wenn sie nicht auf die kleinen Geschwister aufpasst. Beim Sammeln von getrocknetem Dung findet die sechsjährige Nansa eines Tages einen kleinen Hund, den sie Zochor nennt und in den sie so vernarrt ist, dass sie eines Tages beim Hüten sogar Herde und Weg verliert um nach ihm zu suchen. Nansas Vater dagegen ist wenig begeistert von dem Tier. Da er Angst hat, dass Zochor Wölfe anzieht befiehlt er der Kleinen, den Hund wieder weg zu bringen.

In die lockere Spielfilmhandlung vom Ringen des kleinen Mädchens um das geliebte Haustier flicht Davaa Beobachtungen zum Leben und Denken der Nomaden ein. Sie zeigt wie Käse gemacht und Schafsfleisch geräuchert wird, sie dokumentiert den Abbau des Rundzeltes und die Anfertigung eines Deels, des traditionellen kuttenähnlichen Kleidungsstücks der Nomaden. Dazwischen streut sie immer wieder Szenen und Dialoge, die die spirituelle Dimension des Nomadenlebens vermitteln, etwa wenn sich die Familie bei ihrem Stück Wohnland bedankt, bevor sie weiterzieht, oder wenn Mutter dem Buddha eine Schale mit Tee hinstellt. Der Glaube an das Rad der Wiedergeburt und ein tiefer Respekt vor der Natur lassen Nansas Familie in bescheidener Eintracht mit ihrer Umgebung leben. Für Davaa eine aussterbende Lebensweise, die durch Landflucht und das Hereinbrechen der Moderne - hier in Form von nicht recyclebaren Plastikkellen und pinkfarbenen Spielzeughündchen - zunehmend bedroht ist.

Obwohl Davaa Die Höhle des gelben Hundes als ihren ersten Spielfilm bezeichnet, ist ihr Interesse dokumentarisch geblieben. Die Hundegeschichte dient ihr vor allem als Vehikel, um die Zuschauer an der Hand eines kleinen Mädchens in die Welt der letzten traditionellen Nomadenfamilien zu entführen. Während Die Geschichte vom weinenden Kamel eine perfekte Einheit aus einem spannenden Plot, dokumentarischen Beobachtungen und Einblicken in die Seltsamkeiten einer fremden Kultur bot, holpert die Mischform in Die Höhle des gelben Hundes erheblich. Trotz einiger dramatischer Situationen gelingt es Davaa nicht wirklich, über die Haustiergeschichte Spannung aufzubauen. Zudem verliert sie ihren ohnehin schon dünnen Handlungsfaden immer wieder aus den Augen, meandert ziellos umher und guckt minutenlang einfach den Kindern beim Spielen oder der Mutter beim Teekochen zu.

Auch wenn sich der phänomenale Erfolg von Die Geschichte vom weinenden Kamel kaum wiederholen lassen wird: Die Höhle des gelben Hundes bietet einen interessanten Einblick in den Alltag einer Nomadenfamilie, wunderschöne Bilder und einen Traum von Ursprünglichkeit, der Freunden des weinenden Kamels gefallen dürfte.

Hendrike Bake

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Am Anfang des Films sehen wir die Beerdigung eines Hundes. In Gefolgschaft der Tochter trägt der Vater den toten Kadaver einen steinigen Berg hinauf. Oben angekommen bettet er das Tier sorgsam auf der Erde, achtet darauf, dass der Kopf auf dem Schwanz zu liegen kommt und bedeckt den Körper mit Steinen. Nur so ist nach buddhistischer Tradition gewährleistet, dass der Hund als Mensch wiedergeboren wird.

Im übertragenen Sinne könnte man auch behaupten, dass Byambasuren Davaa das weinende Kamel aus ihrem Erstling nun als gelben Hund wiederauferstehen lässt. Dabei ist sie ihrem Thema treu geblieben und führt uns wieder in ihre mongolische Heimat, diesmal jedoch nicht in die Wüste Gobi, sondern in die Steppen im Nordwesten des Landes. Hier hat sie sich sorgsam eine Familie ausgesucht, die mit ihren drei kleinen Kindern noch streng nach alter Tradition als Nomaden leben und dennoch so aufgeschlossen waren, dass sie die Arbeit mit dem Filmteam akzeptierten. So lebte man gemeinsam für zwei Monate, gewann gegenseitiges Vertrauen und produzierte einen Film, der uns auf ganz eigene Weise einen Einblick in das Leben mongolischer Nomaden gewährt.

Byambasurens Filme waren immer Mischformen aus Dokumentar- und Spielfilmen. Und diese Technik hat sie hier sogar weiter entwickelt. Denn im Gegensatz zu „Die Geschichte des weinenden Kamels“ gibt’s hier ein Treatment, eine zugrundeliegende Legende und eine ganz bestimmte Filmidee. Und dennoch gelingt es der jungen Regisseurin dies alles auf ihre eigene Art umzusetzen, ohne dass sich die Protagonisten ausgenutzt oder wir Zuschauer uns belehrt vorkämen. So funktioniert ihr Film auf drei Ebenen, der Handlungsebene, in der wir der sechsjährigen Nansa folgen, die von ihrer ersten Schulzeit in der Stadt zurück ins Zelt ihrer Eltern in der Steppe kommt. Sogleich switcht sie um und wird geradezu gefangen genommen von einer Lebensart, die sie mit der Natur, der Schafherde, dem Landleben und ihren beiden kleinen Geschwistern verbindet. Ganz automatisch kommt sie in Situationen, in der sie Verantwortung wahr nehmen muß, die wir hierzulande Kindern in diesem Alter kaum zutrauen würden. Sie kümmert sich um ihre Geschwister, wie um die Herde, begleitet sie auf dem Rücken eines Pferdes – wie mongolische Kinder oft früher reiten als richtig laufen können – und macht sich auch sonst auf vielfältige Weise nützlich. Doch, es gibt auch Konflikte, so z.B. als Nansa von einem ihrer Streifzüge einen kleinen Hund, den sie aufgrund des Musters seines Fells ‚Zochor‘ nennt, mit nach Hause bringt. Der Vater hat Angst, dass der kleine Schoßhund mit den Wölfen zusammen gelebt haben könnte und dass diese seine Witterung aufnehmen und die Schafherde der Familie bedrohen könnten. Damit ist der Konflikt vorprogrammiert, den Nansa und ihr Vater bis zum Ende des Films austragen werden.

Dieser Handlungsebene stellt Byambasuren eine dokumentarische gleichwertig gegenüber. Ihre Dialoge sind knapp und ihre Dramaturgie bedächtig, ihre Stärke liegt vielmehr im Beobachten des Alltäglichen. Da steht das Häuten eines Schafes, das von einem Wolf gerissen wurde, dem Abbau der Nomadenjurte am Ende des Sommers gegenüber. Da wird der gesamte Milchverarbeitungs-Zyklus vom Melken bis zum Trocknen des Käses gezeigt sowie die Herstellung eines Deels, eines mongolischen Gewandts. Das alles wird aufgenommen vor einer gewaltigen Naturkulisse und ganz von selbst stellt sich die dritte Ebene ein. Die Spiritualität der Nomaden: ihr Respekt vor anderen Lebewesen vermittelt uns den Eindruck eines Lebens im Einklang mit der Natur und macht uns sensibel für die vielen buddhistischen Anklänge in diesem Film und dennoch berichtet Byambasuren nicht von einer heilen Welt, sondern stellt sie eher als eine vom Aussterben bedrohte Ausnahmewelt dar, die sie immer wieder von Vorboten des Unheils der modernen Gesellschaft durchziehen lässt. Und wenn wir uns am Ende fragen, wenn das gesamte Hab und Gut der Familie sich als Tross zum nächsten Zeltplatz aufmacht, warum man nicht die Straße benutzt wird dies klar, als ihnen auf dieser ein Jeep entgegenkommt, um auch in den entlegendsten Winkel des Landes die Bewohner via Megaphon zur Wahl aufzurufen. Offensichtlich hat selbst hier die Technik längst Vorfahrt.

Kalle Somnitz