Im Feuer – Zwei Schwestern

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Wäre ein Titel wie „Zwischen (den) Welten“ nicht schon vielfach vergeben, müsste Daphne Charizanis zweiter Spielfilm so heißen, erzählt „Im Feuer – Zwei Schwestern“, doch von einem vielfältigen dazwischen: Zwischen Deutschland und Irak, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Realität und Wunschvorstellung.

Website: www.missingfilms.de

Deutschland/ Griechenland 2020
Regie & Buch: Daphne Charizani
Darsteller: Almila Bagriacik, Zübeyde Bulut, Maryam Boubani, Christoph Letkowski, Judith Neumann
Länge: 93 Minuten
Verleih: missingFILMs
Kinostart: 15. Juli 2021

FILMKRITIK:

Rojda (Almila Bagriacik) hat einen deutschen Pass, also ist sie Deutsche. Sie trägt eine Uniform der Bundeswehr, also ist sie Bundeswehr-Soldatin. Dass es immer wieder Momente gibt, in denen ihr weder das eine noch das andere geglaubt wird, macht die Tragik ihrer Figur aus, eine Tragik, die sich in den immer etwas traurig wirkenden Augen von Almila Bagriacik spiegelt.

In praktisch jeder Szene von Daphne Charizanis Drama „Im Feuer – Zwei Schwestern“ ist Rojda zu sehen, mal in Köln, wo sie zusammen mit ihrer Mutter lebt, mal im irakischen Kurdistan, wo sie mit ihrer Bundeswehr-Einheit stationiert ist, wo sie aber vor allem nach ihrer Schwester sucht, die in den Irak zurückgekehrt ist und sich dem Widerstand angeschlossen hat. Mit dem Argument, dass sie als Kurdisch sprechende als Übersetzerin helfen könnte, hat Rojda ihre Vorgesetzten davon überzeugt, sie ins Kriegsgebiet zu schicken, dass sie durch ihre Nähe zu einer der Kriegsparteien dort eigentlich nicht eingesetzt werden dürfte, hat sie verschwiegen.

Zwischen den Sphären der bis auf Rojda ausschließlich männlichen Bundeswehrsoldaten und einer ausschließlich weiblichen Einheit kurdischer Peschmerga-Kämpferinnen vermittelt sie, versucht unterschiedliche Mentalitäten und Vorstellungen zu besänftigen und hält dabei stets nach ihrer Schwester Ausschau. Hin und hergerissen wirkt sie dadurch, nirgendwo so richtig zu Hause, nie wirklich ein Teil der deutschen Soldaten, die in ihrer Freizeit Fußball spielen, als ginge sie das Grauen vor Ort nichts an. Was es in gewisser Weise auch nicht tut: Als Soldaten werden sie mal hier, mal da eingesetzt, unnötige Emotionen können nur hinderlich sein, wenn es darum geht, den Auftrag zu erfüllen.

Diese Distanz fehlt Rojda nicht nur in Momenten, in denen nicht mehr nur das Training der Kurdinnen im Mittelpunkt steht, sondern scharf geschossen wird, sondern auch zu Hause, in Köln, wo sie als jüngste unter vielen älteren Kurden oft andere, modernere Ansichten hat. Während ihre Mutter etwa unbedingt kurdisches Satelliten-Fernsehen sehen will, um sich ihrer Heimat nah zu fühlen, kann Rojda die Bilder der Zerstörung nicht mehr sehen, sie will nicht mehr ein Teil Kurdistans sein, sondern ein Teil Deutschlands.

In ruhigen Bildern und genau beobachteten Szenen schildert Daphne Charizani diesen Zwiespalt, zeichnet eine sehr zeitgemäße Figur, die nirgendwo richtig zu Hause ist, die nirgendwo richtig dazugehört. Weder sie selbst, noch ihre Umwelt macht es ihr dabei leicht, die Vorurteile, denen sie sich gegenübersieht sind groß, erst recht als Frau.

Als Drehbuchautorin hatte Charizani bei den Filmen von Ina Weisse mitgearbeitet, deren Film „Das Vorspiel“ ebenfalls von einer Frau erzählte, die ihren Platz suchte. Wo Rojda diesen finden könnte beantwortet der Film nicht, so melancholisch und zurückhaltend er erzählt, so endet er, in einem Moment des Innehaltens auf dem langen Weg einer Suche, die noch nicht vorbei ist.

Michael Meyns